Paramilitärische Angriffe auf 10 indigene Gemeinden in Aldama/Chiapas (Mexiko)
Seit Tagen werden unabhängige indigene Gemeinden in Aldama/Chiapas durch bewaffnete paramilitärische Gruppen terrorisiert. Seit Anfang November hat es nahezu 50 bewaffnete Angriffe auf die Gemeinden gegeben, die zum Teil auch belagert werden. Die Angreifer operieren von der Gegend um Santa Martha aus und setzen damit die jahrelangen Angriffe auf Aldama fort, ohne dass die Bundes- oder Bundesstaatsregierung hier eingreifen. Mittlerweilen sind ca. 3000 der 5000 Bewohner*innen der betroffenen Gemeinden in die Berge geflüchtet. Wir veröffentlichen anbei den Notruf des Menschenrechtszentrums Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) vom 4. November 2021 sowie unsere Antwort hierauf. Unterzeichnet ebenfalls den Link, unseren Text könnt ihr als Vorlage nehmen oder über deepl einen eigenen problemlos ins sSpanische übersetzen lassen und absenden. Außerdem beigefügt eine Stellungnahme aus Aldama vom 21.Oktober 2021.
Menschenrechtszentrum Fray Bartolomé de Las Casas (Frayba) San Cristóbal de Las Casas, Chiapas, Mexiko, 4. November 2021. Acción Urgente No. 10 Vertreibung von mehr als 3.000 Personen
– 47 bewaffnete Angriffe auf 10 Gemeinden im Landkreis Aldama.
– Ungestoppt: Die Aggressionen der bewaffneten Gruppe, die von Santa Martha im Landkreis Chenalhó aus operiert. – Weiterhin: Abwesenheit und Komplizenschaft der mexikanischen Regierung, beim sich Kümmern um die Situation der bewaffneten Gewalt
(…) Das Frayba äußert seine Besorgnis über die Eskalation der Gewalt gegen die Gemeinden von Aldama, die seit fünf Jahren andauernden Menschenrechtsverletzungen in diesem Gebiet der Altos de Chiapas ausgesetzt sind – unter Duldung und Komplizenschaft der mexikanischen Regierung.
Deshalb fordern wir energisch ein Ende der Gewalt – es reicht mit der Simulation durch Bundes- und Landesregierung, diesem Schrecken – den der Pueblo Maya-Tsotsil von Aldama und Santa Martha tagtäglich erlebt- zu begegnen.
Wir rufen die Mexiko weite und internationale Solidarität auf, ihre Ablehnung – angesichts dieser ernsten Gewaltsituation in Chiapas – zum Ausdruck zu bringen (…)”
Quelle & hier kann die Urgent Action unterschrieben werden:
https://frayba.org.mx/19872-2/
Stellungnahme von Tokata-LPSG RheinMain e. V.: Por este medio hacemos un llamado al gobierno mexicano en la Ciudad de México, así como al gobierno de Chiapas, para que pongan fin al terror contra las comunidades amenazadas. Lo seguiremos de cerca desde Alemania y actuaremos en consecuencia. Hay que proteger los derechos de las comunidades indígenas independientes./Wir fordern hiermit die mexikanische Regierung in Mexiko-Stadt sowie die Regierung von Chiapas auf, dem Terror gegen die bedrohten Gemeinden ein Ende zu setzen. Wir werden dies von Deutschland aus aufmerksam verfolgen und entsprechend handeln. Die Rechte der unabhängigen indigenen Gemeinschaften müssen geschützt werden.
Ergänzend zu dieser Meldung hier noch die Übersetzung eines Comunicados aus Aldama, das am 31.10. unter https://radiozapatista.org/?p=40160 veröffentlicht wurde:
MAGDALENA ALDAMA, CHIAPAS. OKTOBER 2021.
AN DIE ÖFFENTLICHE MEINUNG.
AN DIE INTERAMERIKANISCHE MENSCHENRECHTSKOMMISSION.
AN AMNESTY INTERNATIONAL.
AN DIE BUNDESSTAATLICHE MENSCHENRECHTSKOMMISSION.
AN DIE NATIONALE MENSCHENRECHTSKOMMISSION.
AN DIE UNABHÄNGIGEN MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER*INNEN.
AN DIE EZLN – EJERCITO ZAPATISTA DE LIBERACIÓN NACIONAL.
AN DEN NATIONALEN INDIGENEN KONGRESS CNI.
AN DEN INDIGENEN REGIERUNGSRAT CIG.
AN DIE SEXTA NACIONAL E INTERNACIONAL.
AN DIE NETZWERKE DES WIDERSTANDS UND DER REBELLION.
AN DIE FRAUEN, DIE KÄMPFEN.
AN DIE SOZIALEN NGOs.
AN DIE LOKALEN, MEXIKANISCHEN, INTERNATIONALEN UND UNABHÄNGIGEN MEDIEN.
AN DIE BEVÖLKERUNG MEXIKOS UND DER WELT.
Wir sind die Stimme des Pueblo.
Wir sind Menschen, die unter dem Hagel der Kugeln leben, die die bewaffneten paramilitärischen Gruppen aus Santa Martha im Landkreis Chenalho abfeuern. Wir sind Menschen, die kämpfen und Widerstand leisten. Wir sind die Saat unserer Maya-Vorfahren. Wir sind die Bevölkerung. Heute fließt das Blut in unseren Venen. Wir sind bats`i vinik-antsetik [wahre Männer und Frauen]. Wir sind Tsotsiles.
Das Problem ist nicht neu. In den 70er-Jahren erhielt die Gemeinde Santa Martha (Manuel Utrilla) durch einen Präsidentenerlass von José Portillo 60 Hektar Land, die zum Landkreis Santa María Magdalena Aldama gehörten. Später wurde anerkannt, dass die Eigentümer*innen aus Aldama stammten. Im Übereinkommen von 1977 wurde vereinbart, das Besitzrecht von Aldama zu respektieren. Auch die Kooperationen und Ämter sollten in Aldama sein, doch wurden die Vereinbarungen nicht respektiert und Santa Martha forderte 1997 die Rückgabe von 30 Hektar. 2009 wurde der Besitz vom Einheitlichen Agrargericht zugunsten der 115 Gemeindemitglieder von Aldama geregelt.
2016 verschärften sich die Probleme mit der Enteignung des Landes während der Regierungszeit von Manuel Velazco Cuello und nun unter der Regierung von Rutilio Escandón Cárdenas. In der Auseinandersetzung um die 60 Hektar Land wurden wir von Personen aus der Ortschaft Manuel Utrilla (Sektor Santa Martha) des Landkreises Chenalho vertrieben. Die 60 Hektar gehörten den Bewohner*innen von Magdalena Aldama schon seit der Zeit unserer Ahnen. Innerhalb dieser 60 Hektar lebten sieben Familien, die 2016 vertrieben und mit Schusswaffen bedroht wurden. Sie fanden in den verschiedenen Gemeinden des Landkreises Aldama Zuflucht. Im selben Jahr, 2016, wurde die bewaffnete paramilitärische Gruppe aktiv, die in Chenalho agiert.
Wir sind 115 betroffene Gemeindemitglieder, die beraubt, bedroht und aus unserem Zuhause, von unserem Land vertrieben wurden, das uns einst von unseren Großeltern, unseren Eltern vererbt wurde. Das ist beim Einheitlichen Agrargericht zertifiziert und wir sind als legitime Eigentümer*innen unserer Mutter Erde anerkannt.
2018 intensivierten sich die Aggressionen mit großkalibrigen Schusswaffen. In dieser Zeit wurden 2036 Menschen durch diese bewaffnete Gruppe in die Berge vertrieben. Sie greifen uns von unterschiedlichen Angriffsorten aus an, die sie haben, und umzingeln uns mit Schüssen aus den Orten Yok Ventana, Saclum bis zum Sektor Santa Martha. Davon sind 10 Ortschaften betroffen.
Am 14. März 2020 wurde unser Compañero Cristóbal Santiz Jiménez verhaftet und im Gefängnis Amate im Landkreis Cintalapa, Chiapas, eingesperrt. Bei seiner Verhaftung wurden seine Menschenrechte verletzt und er wurde physisch und verbal angegriffen und von den Sicherheitskräften bedroht, als er von San Cristóbal in das Gefängnis CRSS Nr. 14 El Amate verbracht wurde.
Unser Compañero Cristóbal Santiz Jiménez wurde inhaftiert, weil er zu den Vertreter*innen der 115 betroffenen Gemeindemitglieder gehört, die von Teilen der Bewohner*innen des Sektors Santa Martha, Chenalho, von den 60 Hektar Land vertrieben wurden.
Cristóbal Santiz zählt zu den Geiseln der Regierung von Rutilio Escandón Cadenas und Ismael Brito Mazariegos (Regierungssekretär), der bundesstaatlichen Staatsanwaltschaft unter Jorge Luis Llaven Abarca und der Indigenen Staatsanwaltschaft der Zona Altos, Chiapas.
Seit Anfang 2020 und im Jahr 2021 haben die bewaffneten Aggressionen gegen unsere Gemeinden an Intensität zugenommen. Betroffen sind 12 Gemeinden und insgesamt 5.000 Personen – Frauen, Kinder, alte Menschen und Männer, die diesen Aggressionen ausgesetzt sind.
Heute möchten wir erneut zum Ausdruck bringen, wie wir als Bevölkerung von Magdalena Aldama fühlen, und wollen die Bedrohungen und Aggressionen öffentlich machen, die wir durch die paramilitärischen Gruppen von Santa Martha Chenalho erleiden.
In der Zwischenzeit greifen uns diese bewaffneten Gruppen weiter an. Als indigene Pueblos leisten wir weiter Widerstand, und heute ist ein wichtiger Tag für die indigenen Pueblos, die sich nach wie vor gegen die Plünderungen und Bedrohungen zur Wehr setzen, wie unser Dorf Magdalenas, wo wir Tag und Nacht den bewaffneten Aggressionen bewaffneter Gruppen ausgesetzt sind, die in den Ortschaften von Santa Martha, Saclum des Landkreises Chenalho agieren.
Im laufenden Monat Oktober hat es täglich Aggressionen gegeben, obwohl wir bei den Behörden aller drei Ebenen interveniert haben, doch scheint es ein Krieg zu sein, der niemanden interessiert. Zum Beispiel stellte eine Gruppe von Personen aus dem Sektor Santa Martha Chenalho am Sonntag, den 10. Oktober dieses Jahres, der Regierung von Chiapas ein Ultimatum (bis 12. Oktober), um dieses Problem zu lösen, verbunden mit einer expliziten Drohung, wenn die Antwort nicht zugunsten von Santa Martha ausfiele. Für uns als benachbarte Dörfer ist das eine schwerwiegende Bedrohung, und wir wissen, dass ihre Wut sie dazu treibt, unsere Gemeinden anzugreifen. Allein im Monat Oktober hat es 203 direkte Angriffe auf 9 Gemeinden von Magdalenas gegeben: Xuxch’en, Coco’, Tabac, San Pedro Cotzilnam, Yeton, Ch’ivit, Stzelejpotobtik, Juxton und den Gemeindesitz Aldama. Dabei wurden Häuser direkt angegriffen. Es gibt Häuser mit Einschusslöchern, kaputte Dächer, Fahrzeuge und Maschinen mit Kugeleinschlägen. Auch Straßenbauarbeiter, Handwerker, Vertragsarbeiter und Ingenieure und selbst Beteiligte der offiziellen Kontrollgänge wurden von diesen bewaffneten Gruppen angegriffen und in der Nähe von Chenalho auch Angehörige der Guardia Nacional und der Policía Estatal Preventiva, die aber sagen, die Bewohner*innen von Aldama seien die Angreifer*innen. Selbst in der Nähe von Aldama werden sie von diesen bewaffneten Gruppen angegriffen. Das stimmt nicht und sie sind Zeug*innen dieser grausamen Ereignisse. Wir wollen nur in Ruhe und Frieden leben, um unser Land zu bearbeiten. Deshalb fordern wir die Einhaltung der Uhrzeiten für die Kontrollgänge (von 9 bis 16 Uhr). Aber diese Leute kommen nur, um sich die Unterschriften der Beamt*innen zu holen, um die Erfüllung ihrer Aufgaben nachzuweisen, halten aber sich nicht an die Uhrzeiten, weil die Forderung nach der Einrichtung eines gemischten Stützpunkts (Base de Operaciones Mixtas, BOM) nicht erfüllt wurde.
Infolge der intensiven Aggressionen, die wir täglich in unseren Gemeinden von Tabac und Coco erleiden, haben die Arbeiter, die an einem Straßenabschnitt von 2 Kilometern bauen, ihre Arbeit niedergelegt, weil ihr Leben und ihre physische Unversehrtheit in Gefahr sind.
Als Bewohner*innen von Magdalena Aldama fordern wir die Erfüllung der Vereinbarungen und die Beendigung dieses Straßenabschnitts, der das Leben von so vielen Menschen gefährdet hat und wo unglücklicherweise unsere Brüder das Leben verloren haben.
Das muss endlich fertigwerden und bis heute hat es keinerlei Fortschritt gegeben. Die Bedingungen sind sogar noch schlimmer geworden und beeinträchtigen die 12 Gemeinden, die jetzt in der Erntezeit nicht mit Lastwagen unterwegs sein können. Außerdem sind nach der Zerstörung der Brücke Tabac mehrere Autos steckengeblieben und das Leben und die Unversehrtheit unserer Brüder ist in Gefahr und es besteht die Befürchtung, dass sie in diesem Straßenabschnitt (2 km) das Leben verlieren.
Außerdem fordern wir die Erfüllung und Anwendung der von der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IAKMR) verordneten Schutzmaßnahmen und die Erfüllung der Forderungen der Vertreter*innen, von denen bislang nicht ein einziger Punkt erfüllt wurde.
Als indigene Pueblos leisten wir weiter Widerstand. Angesichts des Kolonialismus und der Drohungen sagen wir Ya basta – Es reicht und machen die drei Regierungsebenen dafür verantwortlich, wenn uns erneut etwas zustößt, wie es mit unseren Compañeros Pedro Lunez Pérez und mit Domingo Santiz Jiménez von der EZLN geschehen ist, der feige ermordet wurde, und auch für unsere Verwundeten fordern wir eine Lösung und wahre Gerechtigkeit. Unser Leben und unsere Unversehrtheit sind in Gefahr durch die Bedrohungen, denen wir ausgesetzt sind. Wir sind Menschen vom Land und arbeiten Tag für Tag für den Lebensunterhalt unserer Familien, aber heute kann man gar nicht mehr arbeiten, denn wer arbeitet, setzt sich dem Risiko aus, angegriffen und ermordet zu werden. Wir sind keine Invasor*innen, wir sind Vertriebene von unserem Land.
Wir haben unsere Situation öffentlich bekannt gemacht, aber die Regierung schweigt dazu oder droht nur damit, unsere Vertreter*innen festzunehmen und ins Gefängnis zu sperren. Deshalb klagen wir die Regierung des Bundesstaates und den Regierungssekretär öffentlich an. Wir haben die vielen Drohungen satt und haben noch nicht gesehen, dass die Regierung handelt. Sie behandelt uns nur wie ihre Marionetten.
Wir haben es satt, dass die Regierung uns nur manipuliert. Jetzt gibt es schon die Arbeitsgruppe mit den drei Regierungsebenen, aber sie bringt nichts. Deshalb hat es keinerlei Fortschritte über die 60 Hektar gegeben und unser Land wird uns weggenommen. Nur weil wir Indígenas sind, können uns die Behörden nicht nach Gutdünken mit den Füßen treten. Wir sind auch Menschen und haben schon immer auf unserem Land gelebt. Das Land gehört denen, die es bearbeiten, denn dieses Land wurde uns einst von unseren Vorfahren vererbt und gehört uns, weil hier unsere Eltern, Großeltern und Urgroßeltern lebten.
Wir fordern die sofortige Lösung im Konflikt über die 60 Hektar, da wir als Bevölkerung von Magdalena Aldama mit der Aufteilung unseres Landes bereits unseren guten Willen bewiesen haben, aber bis jetzt hat es keinerlei Fortschritt gegeben und die drei Regierungsebenen haben die Informationen nur manipuliert und den Konflikt verschleppt.
Heute fordern wir wahre Gerechtigkeit.
Wir fordern die unverzügliche Freilassung unseres Compañero und Bruders Cristóbal Santiz Jiménez.
Freiheit für alle politischen Gefangenen
Schluss mit all den Lügen
Schluss mit dem Landraub
Keine Verhandlungen mehr – das Land wird nicht verhandelt.
Nein zum Ad-Acta-Legen
Schluss mit den Aggressionen mit Schusswaffen und Schluss mit den paramilitärischen Bedrohungen.
Hochachtungsvoll
Die Stimme des Pueblo von Magdalena Aldama, Chiapas.
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