Travelblog NATIVE LIVES MATTER – dt.-indianische Jugendbegegnung Pine Ridge 2017
….willkommen auf der Travelblogseite. Von hieraus findet ihr dann (soweit es die Technik zulässt) täglich unseren Travelblog für alle Interessierte, alle Spender, die Eltern-Freunde-Verwandten unserer Teilnehmer*innen, Vereinsmitglieder ….
INTRO
Nach dreijähriger Pause haben sich am 24.7.2017 noch einmal 12 Jugendliche und 3 Teamer auf den Weg zu einem deutsch-indianischen Jugendprojekt in die USA gemacht. Was 2004 als Ausnahmeprojekt begann wiederholt sich nun zum siebten Mal. Seitdem fanden ein Projekt in der Navajo-Reservation in Arizona und sechs Projekte in der Pine Ridge Reservation in Süd Dakota statt. 100 Jugendliche aus Offenbach und Umgebung hatten somit die Chance Geschichte und Kulturen der Native Americans näher kennenzulernen, gemeinsam mit Gleichaltrigen an Musik- und Medienworkshops teilzunehmen, indianisches Kunsthandwerk zu erlernen. Aber sie lernten auch viel über die Natur kennen. Outdoor-Touren führten sie durch die Black Hills und Badlands in Süd – Dakota, den Grand Canyon, durch das Monument Valley und Mesa Verde in Arizona und Colorado. Die faszinierenden National-Parks und deren Tier- und Pflanzenwelt, die Begegnung mit Coyoten, Bisons, Klapperschlangen und Hirschen konnten aber nicht über die vielfältigen Spuren des Ausverkaufs der Natur, der indianischen Kultur und der anhaltenden Zerstörung der Umwelt hinwegtäuschen. Und so waren diese Projekte stets auch Gelegenheiten intensiver politischer Bildung zu Fragen der Ökologie sowie der Menschenrechte.
Dass diese Projekte möglich waren erschien wie ein Wunder. Finanziell unterstützt durch den Kinder-und Jugendplan des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend entwickelten das Jugendkulturbüro des Kinder-, Jugend-und Kulturzentrums Sandgasse (Jugendamt Offenbach am Main) in Kooperation mit Arbeit und Leben Hessen (Projektträger) und einem Menschenrechtsverein zur Unterstützung indianischer Jugend-, Kultur- und Menschenrechtsprojekte die Ideen und Konzeption dieser außergewöhnlichen Jugendkulturbegegnungen. Weitere finanzielle Unterstützung kamen vom Jugendamt der Stadt Offenbach, von namhaften Rock-und Bluesmusikern aus allen Teilen der Welt und natürlich von den Teilnehmern selbst. 2012 als bundesweites Vorzeigeprojekt ausgezeichnet, feierten die indianischen und deutschen Projektpartner 2014 ihr zehnjähriges Jubiläum. Und damit sollte die Projektreihe, die immer wieder auch indianische Jugendliche und Nachwuchs-Künstler nach Offenbach führten, enden. Doch wie bei einer guten alten Rockband folgt der letzten Tournee meist die aller letzte Abschiedstour. Nach dreizehn Jahren wird dies die letzte deutsch-indianische Jugendkulturbegegnung sein, die das Jugendkulturbüro durchführt. Allen Beteiligten, d.h. Projektpartnern in Deutschland und in den USA, allen finanziellen Unterstützern, allen indianischen Referentinnen und Referenten, unseren Teamern, den Reservationsbewohnern die uns so herzlich aufnahmen, allen teilnehmenden Jugendlichen und auch deren Eltern an dieser Stelle unser Dank – Wopila.
Tag 1: 24.7.2017
And here we are. Rechnet man die An- und Abfahrten zu den Flughäfen mit ein, so haben wir nach 21 Stunden Reisezeit unser Hotel „Foothills Inn“in Rapid City mehr oder minder erschöpft aber glücklich erreicht. Alles verlief recht problemlos, mal von kleineren Ausnahmen abgesehen. Wir checkten pünktlich ein und waren auch schnell an unserem Gate. Allerdings mussten sich drei unserer Teilnehmerinnen einer intensiveren Befragung stellen, wohl eine obligatorische zusätzliche Sicherheitsmaßnahme. Christian, unser dritter Teamer, kam nach den anfänglichen Schwierigkeiten mit seinem ESTA-Antrag problemlos durch alle Kontrollen. Michael hatte in tagelanger Kleinarbeit telefonisch in Washington alles klären können. Dafür war dann sein Technikkoffer mit Mikros, Minibeamer, Speaker, Percussion -Instrumenten etc. Objekt ausführlicher Durchsuchung beim Security-Check.
Pünktlich ging es dann zum 8 – Stunden Flug nach Chicago, wo uns ca.4 Stunden Umsteigezeit zur Verfügung standen. Die Hälfte der Zeit benötigten wir dann für Einreiseformalitäten, Gepäck holen und durch den Zoll bringen, erneuter Gepäckaufgabe und Fahrt zu unserem Weiterflug-Terminal. Dort erneut Ausweiskontrolle und nochmals Security-Check und um 7:00 p.m (Eastern Time) waren wir ready for take off. Unsere „Zwergenmaschine“ brachte uns dann in zweiundeinhalb weiteren Stunden sicher nach Rapid City, wo wir unsere drei Leihwagen übernahmen. 9:30 p.m. (MEZ 5:30 Uhr morgens am 25.7. in Deutschland) erreichten wir unser Hotel. Ein langer Reisetag endete für uns. Müde bezogen wir unsere Zimmer, unser Quartier für die kommenden zwei Nächte. Und morgen tauchen wir dann langsam ein in das indianische Amerika und dessen Geschichte und Kultur.
Tag 2: 25.7.2017
Schritt bei Schritt in das indianische Amerika – so oder ähnlich könnte das Motto des zweiten Reisetags lauten. Nach dem Frühstück ging es vormittags downtown Rapid City zum Journey Museum. Dieses Museum bietet Ausstellungen zur Geologie der Region, also Black Hills und auch Badlands, zur Besiedlungsgeschichte aber auch zur Kultur der hier lebenden Native Americans, d.h. vor allem der Lakota, Dakota, Nakota. Kurz, die Nationen, die unter dem Begriff „Great Sioux Nations“ zusammengefasst wurden (in der Sprache der Eroberer).
So schon einmal eingestimmt ging es mittags weiter nach Sturgis. Weltweit bekannt ist dieses Städtchen aufgrund der Sturgis Rallye, die jährlich Anfang August stattfindet. Dann wird dies zum Sammelort hunderttausender, ja manchmal auch von einer Millionen Motorradfahrer. Sicherlich faszinierend, begleitet durch zahlreiche Großevents und sicherlich Millionen Hektolitern Bier und Whiskey. Doch dies war erst einmal weniger Grund unseres Kommens. Wir waren zu Gast bei Josephine Fiere Lame Deer, Tochter des weit über die USA hinaus bekannten Lakota-Medizinmanns Archie Fire Lame Deer, selbst spiritual woman, studierte Naturwissenschaftlerin und politisch interessierte Lakota. Ihr Nachmittagsvortrag (und der füllte tatsächlich den gesamten Nachmittag) kreiste um Themen wie Lakota Kultur, Lakota Values, cultural diversity, Probleme der Kolonialisierungsgeschichte, Rolle der Frau in der traditionellen Lakota-Kultur, Leben in Reservationen und Folgen von Armut. Aber wie auch unsere indianischen Referenten in Offenbach, Mitch Walking Elk (Cheyenne-Arapaho) und Wade Fernandez (Menominee) bereitete sie die Gruppe auf spezifische Situationen beim Reservationsbesuch vor. Abschließend nahm sie auch Stellung zu dem Großereignis in Sturgis und wie dieses zu permanenten Konflikten mit den Natives führt. Konkret, wenn nahe des Bear Butte, einem für alle Plains- und Prairieindianer heiligen Ort, Biker ihre Maschinen aufheulen lassen, wenn dort Partys mit tösenden Rockkonzerten und jeder Menge Alkohol und Striptease – Shows veranstaltet werden, während am nahen Berg Natives beten, auf Visionquest sind etc. „Wie fändet ihr es, wenn wir solche Partys auf dem Petersplatz vorm Papst veranstalten würden?“, fragte Josephine einige Jahre zuvor die Teilnehmer einer unserer Reisen. „Dabei haben wir nichts gegen Biker, Partys, Rock – das ist unser Leben ja zum Teil auch.“
Und da sind wir bei jenen Themen, die Josephine immer wieder einbaute: Leben in Respekt, Achtung des Anderen, Offenheit für Neues, Bescheidenheit, Stopp von Ausbeutung von Umwelt und Menschen, die Arroganz der Herrschenden in Politik und Wirtschaft und wie diese von der Menschen profitieren, die die Verlierer der Modernisierung sind.
Um 17:30 rauchten unsere Köpfe und so ging es weitere 20 Autominuten zum Bear Butte State Park. Erster Blickkontakt zu Hirschen und Bisons am Fuße des State Parks. Vom Visitor Center aus ging es dann in 1,5 Std. ca. 400 Höhenmeter aufwärts zum Gipfel des Matho Paha (Lakota für Bear Mountain = Bear Butte). Sicherlich eine sportliche Leistung, aber vor allem gingen wir dies auch im Sinne Josephines an, wir betraten heiliges Terrain der Lakota und es war somit auch ein spiritual walk. Nachdem erst unser Kopf aufgrund der Vortragsinformationen qualmte, qualmten nun unsere Füße nach Bewältigung des Auf- und Abstiegs. Um 21:30 Uhr waren wir dann zurück in Rapid City, ready for dinner und um 23:30 Uhr ging es dann die wenigen Meter zurück zu unserem Hotel.
26.7.2017 3. Tag
Welcome to Pine Ridge Reservation – A Hard Days Night
Der dritte Tag unserer Reise startete mit diversen Besorgungen: Grundlebensmittel für unseren Reservationsaufenthalt, Musikzubehör für die Workshops mit den Jugendlichen. Für 12:00 Uhr war die knapp 100minütige Fahrt in die Pine Ridge Reservation geplant. Am Abfahrtstreff legte sich unvorhersehbar ein dunkler Schatten über den Tag. Erst ein Anruf aus Deutschland, dass Claudias Vater gestürzt und im Krankenhaus war. Zehn Minuten später kam die nächste Schockmeldung, Claudias Vater war verstorben.
Schweigend ging die Abfahrt dann Richtung Reservation. Wie geht es weiter? Natürlich, die Tour findet statt. Aber fliegt Claudia zur Beerdigung vorzeitig zurück? Wie bekommen wir dies mit einem Hauptteamer überhaupt hin. Und wie steckt Michel das weg, denn schließlich war Claudias Vater sein Schwiegervater?
Der Schatten lag über dem restlichen Tag. Aber dennoch ging die Fahrt, zwar mit Verspätung und Belastung, weiter. An der Reservationsgrenze Zwischenstopp am Badlands Overview bei Red Shirt. Fernando, ein Indigener aus Süd-Mexiko grüßte schon von weitem. Tatsächlich machten wir hier bereits vor drei Jahren Stopp und Fernando konnte sich gut daran erinnern. Schließlich kam er 2014 mit Freunden seinerzeit zur Abschlusspräsentation. Weiter ging es nach Oglala. Etwas außerhalb und abseits des Highway 18 lag unser Quartier. Hinter Pferdekoppel und Präriedog-Village, zwischen schattenspendenden Bäumen und Windrad, Sonnenkollektoren und Biogarten: Lakota Solar Enterprise, ein Projekt von Henry Red Clouds Familie, einem Nachfahren Chief Red Clouds. Kurzes Einchecken, weiter nach Pine Ridge zum Su Anne Big Crows Boys & Girls Club, Ort unserer kommenden Workshoptage. Innerhalb einer Stunde ist der Raum für den Rockband-Workshop eingerichtet. Nun kann es zurück nach Oglala gehen. Der Fade in den Abend beginnt mit Kochen, Gitarrenspielen, Lesen, Reden, Singen. Später kommt Henry Red Clouds Familie dazu. Nach der Begrüßung kamen die Pine Ridge Agency Drummer mit ihrer Powow-Trommel dazu und starteten für Claudia und ihren Vater eine kleine Zeremonie, bei der dann auch die gesamte Gruppe einbezogen wurde. Eine unerwartete Ehrenerweisung, die und wohl alle unter die Haut ging. Menschlichkeit kann so einfach sein. Langsam legte sich die Dunkelheit des Abends über die Prärielandschaft und vertrieb den Schatten der Trauer. End of a hard days night
4.Tag 27.7.2017
Unser erster fulltime-Programmtag in der Pine Ridge Reservation beginnt bereits nach dem Frühstück. Da bietet es sich an, dass Henry Red Cloud, Nachfahre Chief Red Clouds, der mit der US-Regierung 1851 und 1868 die Verträge von Fort Larami aushandelte, und auf dessen Grundstück wir übernachten, uns sein Projekt „Lakota Solar Enterprise – Henry Red Clouds Renewable Energy“ vorstellt. Für seine Pionierarbeit in diesem Bereich hatte Henry bereits den European Award for Sustainable Energy in Wien überreicht bekommen. Bei dem Rundgang über das beeindruckend gepflegte und vielseitig bepflanzte Gelände erklärt er uns seine vielfältigen Beiträge im Kontext von nachhaltiger Energieerzeugung und Bauweise. Große und kleine, feste und mobile, einfache und komplexe Solaranlagen, Windanlagen, Herstellung von Bausteinen aus Matsch, Strohballenhäuser und Biogartenanlage, solar betriebene Bewässerungspumpen, Zellstoffisolation für Gebäude. Mit dieser alternativen Energiegewinnung und Bauweise können 30 – 40 % der Energiekosten eingespart werden. Ein wichtiger Beitrag nicht nur für den Umweltschutz (protect mother earth) sondern auch der Armutsprävention und somit auch der Prävention der fürchterlichen Armutsfolgen, die wir hier noch kennenlernen sollten.
Mittags begannen dann unsere Workshops und auch die ersten Native Kids kamen hinzu. Es entstanden bei Christian im Rockworkshop und bei Michel beim Workshop Musikmachen am PC die ersten Songs. Und der Medienworkshop um Claudia hatte ausreichend zu dokumentieren. Am Abend waren dann Frederick und Gail Cedar Face unser Gast. Frederick stammt ebenfalls aus namhaften Häuptlingsfamilien ab, u.a. von Sitting Bull. Er war langjähriger Aktivist indianischen Widerstands und für indigene Rechte, arbeitete später selbst als Richter und ist nun anwaltlich in einer von ihm gegründeten Stiftung tätig, die sich um juristische Belange von Kindern, Alten und Behinderten kümmert. Frederick gab uns bereits vorzeitig eine Aufgabe, nämlich sich Fragen zu überlegen, die das indianische Amerika betreffen. Und so entwickelte sich bis in den späten Abend eine lange Frage und Antwort-Nacht, die würdevollmit einem Lakota-Gebet beendet wurde
5. Tag 28.7.2017
Und auch der fünfte Tag war mehr oder minder ein Vollzeit-Programmtag. Auf dem Weg zu unserem Besuch von Radio KILI gab es einen Zwischenstopp in Wounded Knee. Bislang präsentierte dort Leonard Little Finger, Ururenkel des Häuptlings Big Foot, die Geschichte des letzten militärischen Massakers an den Lakota 1890. Da Leonard April diesen Jahres verstarb übernahm Michel diesen Part und spann dann die Brücke zur Geschichte von Wounded Knee 1973. Konkret: 1890 fand in Wounded Knee das letzte militärische Massaker an den Lakota statt und markierte damit das Ende der sogenannten „Indianerkriege“ (1790-1890). 1973 war der Ort erneut Brennpunkt von Auseinandersetzungen zwischen traditionellen sowie sich politisch organisierenden Native Americans einerseits und einer korrupten Stammesregierung samt deren Todesschwadron, Polizei, Nationalgarde und FBI (71tägige Besetzung/Belagerung von WK: Februar – Mai 1973). Anschließend ging es weiter zu Radio KILI, dem lokalen Rez-Radio. Live on Air hatten wir dort die Möglichkeit zu reden, einige mitgebrachte Songs zu präsentieren und auf unsere Workshops hinzuweisen. Auf dem Hügel hinter der Radiostation, mit Blick über die Weiten der „rolling hills“, fand dann eine erste gemeinsame Zwischenbilanz der bisherigen Tour statt. Und dann: again Workshops. Zum Abschluss ging es dann in den BEAR CAVE (Be Exited About Reading), einer Anlaufstelle für Jugendliche mit angegliedertem Selbtmord-Präventionsprogramm. Was als Kurzbesuch gedacht war entwickelte sich zu einer deprimierenden, uns alle erschütternden Darstellung jugendlicher Problemlagen im Rez. Die Eindrücke waren so massiv und uns an die Substanz gehend, dass wir den Rest des Abends benötigten, um das überhaupt verarbeiten zu können: gemeinsam und jede(r) für sich. Bereits in Deutschland wurde eigens für dieses Projekt eine bundesweite Spendenaktion gestartet, und so konnten wir vor Ort zwei Gitarren sowie eine Geldspende dem Jugendclub übergeben.
6. Tag 29.7.2017
Und es scheint (uns) die Sonne wieder: gutes Frühstück, relaxtes Aufstehen, lockere Abfahrt Richtung Nebraska zum Museum of Fur Trade. Dort erwartete uns Isabella Schön-Robideau. Die aus Deutschland stammende Frau eines Dakota, der übrigens vor 16 Jahren die entscheidende Anregung für die Jugendprojekte gab (gemeinsam mit der Jugendclub-Leiterin des Su Anne Big Crows, Leatrice „Chick“ Big Crow) informierte uns über die Geschichte des Fellhandels, die nahezu gelungene Ausrottung der Bieber und Bisons und führte uns dann durch das Außengelände des Museums. Dann war es auch schon wieder Zeit die ca. einstündige Rückfahrt nach Pine Ridge anzutreten: Workshop-Tag Nr. 3.
Abends dann Besuch eines kleinen, traditionellen Powows in Manderson. Dort wurde die Gruppe offiziell durch den Moderator des Events öffentlich vor allen Anwesenden begrüßt. Hier ergaben sich sehr spontan viele Gespräche mit Natives (uns bekannten aber auch bis dahin noch unbekannten) aber auch nicht-indianischen Besuchern. Und natürlich konnte man sich die Gelegenheit frisch zubereitete Indian Tacos zu essen nicht entgehen lassen. In der Dunkelheit dann Rückfahrt nach Oglala, immer darauf vorbereitet, dass Wild uns auf der ca. 60 km langen Strecke vor die Wagen läuft. Daher im wahrsten Sinne des Wortes langsames Ausfaden des Tages
7. Tag 30.7.2017
Bevor es ins Su Ann Big Crow – Jugendzentrum geht, besuchen wir Alice und Tim Bad Heart Bull und deren selbstgebautes Strohballenhaus. Von außen und innen sieht es aus wie ein modernes Einfamilienhaus bei uns. Tatsächlich aber bestehen die Außenwände aus verkleideten Strohballen. Die spezielle Bauweise hilft enorm Energiekosten zu sparen. Im Sommer ist es angenehm kühl und im Winter muss nur wenig geheizt werden. Auch ihre Sweatlodge zeigen uns die Beiden und erklären dabei Ablauf und Bedeutung der Schwitzhütten-Zeremonie.
Nach diesem Besuch geht es zum Jugendzentrum. Zehn Gäste kommen zur Abschlusspräsentation. Zuerst präsentieren Caro und Lili ihre beiden Songs, die sie am PC entwickelt haben. Anschließend spielt die Band ihre beiden Songs. Sichtlich hat dies den indianischen Gästen sehr gefallen. Bevor es an den Rückbau ging spielten Christian und Michel auf zwei Gitarren noch einen Song, den Michel vor einem Jahr geschrieben hat. Zurück in Oglala gab es dann ein gemeinsames Abendessen, zu dem auch zwei der Lakota-Teilnehmer kamen, die seit 2010 an allen Projekten teilgenommen hatten.Den Abschluss des Abends bildete ein Filmabend mit dem Spielfilm „Halbblut“, der sich mit der bürgerkriegsähnlichen Situation in diesem Reservat Anfang der 70er Jahre befasst.
Tag 8 31.7.2017
Die zweite Woche beginnt mit dem Abschlussfrühstück in Oglala, danach Packen, Aufräumen und von Henry Red Cloud herzlich Abschied nehmen. Toksha Ake. Über den Stronghold Table geht es in die westlichen Ausläufer der Badlands, wo wir am Visitorcenter der Oglala Lakota einen Stopp einlegen. Weiter geht es dann über Sharp Corner zur Singing Horse Trading Post. Die Singing Horse Trading Post liegt nördlich von Manderson in den für Prärien typische rolling hills. Für die Native Americans ist dies die zentrale Anlaufstelle um Materialien für Kunsthandwerksarbeiten zu kaufen und später die erstellten Produkte zu verkaufen. Hier werden wir die nächsten zwei Nächte verbringen. Bis zum Abendessen sind nun Vorarbeiten für den morgigen Trommelbau zu erledigen. Dann geht es zu Bettes Kitchen zum Abendessen, mit tollem Ausblick auf die Hügelkette Richtung Wounded Knee. Irgendwo hier soll das Herz von Crazy Horse begraben sein (Bury my heart at Wounded Knee). Zurück in der Trading Post werden die Trommelfelle für morgen gewässert. Der Prärieabend klingt mit einem Konzert von Koyotengeheul aus.
9. Tag 1.8.2017
Lakota-Art-Workshop-Tag in der Singing Horse Trading Post. Um 9 Uhr starten die Workshops in Trommelbau, Beadwork und Herstellung von Traumfängern. Unsere Teamerinnen and Teamer Jessica, Joey und Will sind Lakota aus der Pine Ridge Reservation und so werden die Workshops gleichzeitig zu kurzweiligen Lehrstunden zum Lakota way of life. Dabei gehen Workshop-Anleitung, Informationsgespräche und viele Witzeleien Hand in Hand. 9 Stunden lang stellen die Offenbacher Jugendlichen unter fachlicher Anleitung sehr konzentriert ihre Handwerksprodukte her, die sie dann auch mit nachhause nehmen können. Nachmittags kommen auch wieder einige junge Lakota hinzu, die bereits in Pine Ridge an unseren Workshops teilnahmen. Selbst 1,5 Stunden Fahrzeit einfache Strecke hält sie hiervon nicht ab. Gleichzeitig erreicht uns die Meldung, dass durch eben diese Jugendlichen/jungen Erwachsenen die Musikworkshops für junge Lakota in Pine Ridge weitergeführt werden. Für viele Kids dort ist das eine tolle Möglichkeit, weiter Musik zu machen. Außerdem hatten wir ja auch neue Gitarren als Spende für das Selbstmord-Präventionsprogramm des BEAR Cave- Clubs mitgebracht, was für weitere Kinder und Jugendliche eine Chance zum Musikmachen darstellt. (Anmerkung: Der Verein „Tokata-LPSG RheinMain e.V. – Verein zur Unterstützung indianischer Jugend-, Kultur- und Menschenrechtsprojekte“ hatte auch dieses Jahr wieder mit einer bundesweiten Sammlung zu Spenden für Jugendmusik-Aktivitäten aufgerufen).
Tag 10 2.8.2017
Nach zwei Nächten der nächste Abschied in der Pine Ridge Reservation. Um 12 Uhr rollen die Offenbacher nach herzlichem Abschied von Rosie und einigen indianischen Kunden und Helfern Richtung Badlands. Kurz außerhalb der Reservation gibt es dann eine Premiere. Über Schotterpiste geht erst in das Hinterland der Badland-Ausläufer und dann einen Hohlweg steil hoch zum Sheep Mountain Table. Bislang war hier noch keine der Jugendgruppen gewesen. Vom Plateau aus gab es einen überwältigenden Überblick, der an den Film „Thunderheart“ (Halbblut) erinnert. Weiter geht es dann einen kleinen Umweg über die Sage Creek Road, einer ca. 40 km langen Schotterstraße, die zum Badlands-Loop führt. Dieser Weg ist immer noch den meisten unbekannt und eher ein Geheimtipp. Nur an dieser Strecke hat man eine Chance Bisons zu sehen, die hier im Nationalpark frei leben. Und tatsächlich, bereits von der Höhe sieht man die Herde in einem Seitental, nahe dem dort gelegenen Campground. Also nichts wie hin, auch wenn dies wieder ein kleiner Umweg ist und schon rollen die drei Vans ganz nah an den Bisons vorbei. Bis zum Motel gibt es noch einige Zwischenstopps mit spektakulären Aussichten und nach dem Einchecken im Hotel geht es dann zu einer einstündigen Trailwanderung durch die abendlichen Badlands. Um bis an die Abbruchkante des Gebirges zu kommen, von der man dann über die Weiten der Prärie blicken kann, gilt es eine steile Felsleiter zu erklimmen und einige knifflige Felspassagen zu passieren. Dann stehen wir bei heftigen Windböen am Ende des Trails und genießen Ausblick, Abendsonne und den Wind. Auf dem Rückweg zum Wagen machen wir nochmals einen kleinen Umweg zu einem anderen Aussichtspunkt, von dem man in die canyonartige Landschaft blicken kann. Und nun wird nun auch jedem klar, wieso sich hier immer wieder Wanderer verlaufen und zum Teil auch für immer verschwunden bleiben. Zum Abschluss ziehen noch einige Big Horn Sheep über den Cedar Pass und dann versinkt die Sonne hinter den Bergketten der Badlands.
Tag 11 3.8.2017
Angekündigt war eine morgendliche Hitzewanderung in den Badlands und daher galt es früh aufzustehen, um unmittelbar nach dem Frühstück zum Ausgangspunkt der Wanderung aufzubrechen. Um kurz nach 8:00 Uhr hatte der Konvoy den Castle-Trail erreicht. Allerdings war der Himmel bedeckt, der Wind heftig und die Temperatur alles andere als warm, geschweige denn heiß. Kälte und Wind beschleunigten das Schritttempo und auch die Pause am Sadle Pass mit tollem Überblick auf die Prärie fiel eher kurz aus. Auf dem Weg kreuzte ein Coyote den Trail, ein Hase versuchte sich vor unseren Blicken zu verstecken. Vereinzelt kreisten Geier über uns, aber bei den Temperaturen machten sich die großen Vögel wohl kaum Illusionen auf Dehydrierungs- und Erschöpfungsopfer.
Keine zwei Stunden nach der Tour rollte der Konvoy dann aus den Badlands heraus Richtung Rapid City und Black Hills. Da dieses Mal der letzte Tag des USA-Aufenthalts nicht in Rapid City sein wird (aufgrund der Sturgis-Rallye waren bereits vor Weihnachten nicht mehr ausreichende und auch bezahlbare Schlafplätze zu buchen), gab es noch einen Shopping-Zwischenstopp in Rapid City: Post, Walmart, Dakota Drums und Prairie Edge. Dann begann die letzte Etappe Richtung Black Hills, wo beim BeaverLake Campground drei Cabins reserviert wurden. Hier wird die Offenbacher Gruppe die letzten 3 Nächte verbringen, wobei die letzte Nacht dann bereits um 2 Uhr Enden wird.
Tag 12 4.8.2017
Der zwölfte Tag begann fast genauso kalt wie der elfte Tag endete. Eingemummelt in warme Kapuzenpullis oder Decken saß die Gruppe in der Morgensonne beim Frühstück. Gegen 8:30 Uhr ging es dann im Konvoy hoch zum Sylvan Lake, dem Ausgangspunkt unserer Hikingtour hoch zum Black Elk Peak. Der Black Elk Peak, seit einiger Zeit benannt nach einem Lakota-Medizinmann (früher Harney-Peak, damals benannt nach einem US-General der sogenannten Indianerkriege und somit eine langanhaltende Respektlosigkeit gegenüber den Ureinwohnern Nordamerikas), ist mit knapp 2300m Höhe der höchste Berg östlich der Rocky Mountains und für die Gruppe galt es bei der etwa 2,5stündigen Tour ca. 600 Höhenmeter an Aufstieg zu bewältigen. Belohnt wurde die Gruppe mit einem fantastischen Ausblick über die Black Hills und über diese hinaus in die Weiten Süd Dakotas und Wyomings. Die Verschnaufpause nutzten einige Teilnehmer für weitere Felsbesteigungen, andere eher für ein Sonnenbad auf luftigen Plateaus oder einfach nur für meditative Momente.
Nach dem Abstieg erfrischten sich einige im Sylvan Lake und dann ging es weiter zum Crazy Horse Monument. Dieser seit über 70 Jahre Skulpturenbau wird nach seiner Fertigstellung Mount Rushmore wie ein Legosteinchen aussehen lassen. Dennoch ist das Vorhaben, das einst durch einige Lakota-Häuptlinge angeregt wurde bei den Native Americans nicht unumstritten: Berge und vor allem Berge in den Black Hills sind „sacred sites“. Und „sacred sites“ sind unantastbar. Andererseits soll neben dem Monument hier auch eine indianische Universität und eine Ausbildungsstelle für indianische Medizin entstehen. Außerdem ist für viele Lakota Crazy Horse bis heute ein Vorbild und Held, hatte er doch nie einen Vertrag mit den Weißen geschlossen.
Tag 13 5.8.2017
Der Tag begann kühl, bewölkt und verregnet. Doch eine überdachte Aufenthaltsfläche auf dem Campground ermöglichte uns ein gemeinsames Frühstück im Freien. Dies war auch das Geburtstagsfrühstück einer der Teilnehmerinnen, die heute 18 Jahre alt wurde. Und entsprechend durften weder Geburtstagstorte und -kerzen, noch Geburtstagslieder und -geschenke fehlen. Anschließend brauchten Sandra und Michel nahezu eine Stunde die Travelblogbeiträge und Fotos für unseren Travelblog und die Offenbach-Website hochzuladen, Onlinearbeiten sind hier eine echte Geduldssache. Dann um 12:00 Uhr Abfahrt zur großen National- und Statepark-Rundfahrt (6 Stunden). Von Custer aus ging es zuerst in den Wind Cave Nationalpark und dann in den direkt angrenzenden Custer State Park. Leider zeigten sich heute nicht so viele Tiere. Zwar gab es vereinzelt Hirsche, Bisons, Wildesel und Präriehunde zu sehen, doch möglicherweise aufgrund der vielen cruisenden Motorradfahrer sowie des immer wieder einsetzenden Regens bei weitem nicht so eindrucksvoll und zahlreich wie erhofft. Ein Umweg führte dann noch den Needle-Pass hoch, um einen letzten Blick auf den Black Elk Peak zu gewähren, dann ging es den Pass wieder hinab zum Legion Lake, den die meisten Jugendlichen dann nochmal in einer knapp halbstündigen Tour umwanderten. Zurück auf dem Campground begann dann das Packen und die Vorbereitung auf die letzte Nacht in den Black Hills, die dann um 2:00 Uhr morgens mit der Abfahrt zum Flughafen enden wird.
Tag 14 und 15 6./7.8.2017
Um 2:15 Uhr in der Früh fährt der Konvoy durch die nächtlichen Black Hills Richtung Rapid City. Am Straßenrand immer wieder Hirsche – auch in den Orten, also gilt es die ca. 50 Meilen (knapp80 km) langsam zu fahren. Einchecken in Rapid City erfolgte problemlos. Die Gruppe ist um ein Stück Handgepäck bereichert worden. Die Campground-Besitzer des Beaver Lake CG spendeten ein Alt-Saxofon für Jugendmusikprojekte, da sie von dem Projekt der Offenbacher so positiv angetan waren – eine tolle Abschlussüberraschung. “Mike, please give it to good hands, in a good home. Let´s work it for young kids, who neeeds it making music”, waren die Worte des älteren Ehepaars.
6:35 Ortszeit Rapid City (14:35 MEZ) ging es pünktlich los nach Chicago. Auch dort frühzeitig angekommen, begeben sich die 15 Reisenden zum Terminal 1, Concours C, Gate 20. Nochmals knapp4 Std. bis zum Weiterflug nach Frankfurt. Die Zeit wird u. a. nochmals zu einer ausgiebigen Abschlussreflexion genutzt, die Statements werden unkommentiert wahrgenommen und abgespeichert. Jeder und jede zieht so sein Resümee. Auch der Spendenbeutel für das Teenager-Suicide-Prevention-Project füllt sich mit Rest-Dollars und -Cents. So kommen nochmals 96,88 US-$ zusammen, die an das Projekt geschickt werden sollen.
Der Abflug nach Frankfurt ist ebenfalls on time und mehr als pünktlich landet die Maschine dann in Frankfurt. Zügig wir die Gepäckausgabe erreicht und dann geht es auch schon gemeinsam zum Ausgang, wo Eltern und Freunde bereits gespannt warten. Nach dem großen HALLO kommt noch das Abschiednehmen der Teilnehmer und Teamer voneinander. Der letzte gemeinsame Tag geht somit zu Ende, eine Reise geht zu Ende und nach dreizehn Jahren geht auch ein Projekt zu Ende, ein Projekt, dass in dieser Form bundesweit sicherlich einzigartig gewesen sein dürfte. Mit der Hoffnung, dass diese 7 Besuche im indianischen Amerika und auch die Gegenbesuche junger Native Americans in Deutschland für die über 100 beteiligten Deutschen sowie die vielen, vielen beteiligten Native Americans (Jugendliche, Teamer, Referenten, Gastgeber, Künstler) Spuren im Alltag, späteren Leben und Herzen und in den Erinnerungen hinterlassen haben. Wopila. Toksha ake. Mitakue Oyasin.