Aktualisierte Version: Lützerath, Fechenheimer Wald …..Wie könnt Ihr es wagen uns noch etwas zu sagen

kurze Begründung der Aktualisierung: ja, der Text ist lang und ja, der Text ist auch geprägt vom Zorn auf die Unbelehrbarkeit hiesiger Wirtschaft und Politik und auch der hiesigen Menschen – auf das Prinzip des “immer weiter so”, kaschiert durch auf die Zukunft verweisende hoffnungsstimmende Worte. Zu diesen Zorn steht der Verfasser auch weiterhin. Allerdings möchte ich an einigen Stellen noch Ergänzungen vornehmen und an anderen Stellen etwaige Missverständnis-Möglichkeiten ausräumen. Daher die vorliegende aktualisierte Version vom 6.1.2023


Unser Verein forscht, publiziert, informiert, agitiert und agiert seit vielen Jahren, um auf die Zusammenhänge von Menschenrechtsbelangen und hier speziell unter dem Fokus “Menschenrechtsverletzungen gegenüber Indigenen sowie indigene Rechte und Belange”, Umweltzerstörung, soziale Fragen, Ausbeutung von Mensch und Natur sowie deren Folgen hinzuweisen. Und in diesem Kontext sind wir seit fast einem Viertel Jahrhundert auch als kleine NGO aktiv und dabei Menschen mit konkreten Hilfen bezogen auf diese Probleme unterstützend. Anfangs, in den ersten Jahren dieses Millenniums waren wir da noch ziemlich alleine. Anhand der Atomenergie-Debatte hatten wir bereits auf die argumentative Reduktion bezüglich der Risiken hierzulande hingewiesen, die in den vielen Beiträgen der Umweltbewegung stattfand. Die Risiken nuklearer Energie und Rüstungspolitik wurde vor allem vor dem Hintergrund unserer eigenen Gefährdung gesehen. Inwieweit durch Uranabbau bereits ein seit 50 Jahren anhaltender Ökozid stattfand, der vor allem die Indigenen in den jeweiligen Abbaugebieten betraf (und heute noch betrifft) wurde meist ausgeblendet. Ebenso ausgeblendet wurde dabei die Globalisierungsdebatte, d.h. die Weiterentwicklung nuklearer Energie im Kontext globaler kapitalistischer Raubbau-Ökonomie und – Politik zu verstehen. In den vergangenen Jahren hat das eingangs beschriebene intersektorale Verständnis jedoch in vielen Diskursen an Bedeutung zugenommen, so auch bei Fridays for Future, in den Mahnwachen und Hüttendörfern, bei Ende Gelände etc. Kein Zufall, dass in unserem Buch zu Leonard Peltier und indigenen Widerstand sowohl im ersten als auch im letzten Kapitel sich hierzu Ausführungen finden. Und daher auch kein Zufall, dass wir seit 2018 verstärkt bei den Lesereisen zu dem o.g. Buch (Ein Leben für die Freiheit – Leonard Peltier und der indianische Widerstand, TraumFängerVerlag, 2016 und 2017) unsere Vorträge um diese Aspekte ergänzten: in Offenbach am Main bei Fridays for Future, in Hamburg, in Seligenstadt und Frankfurt am Main, im Hambacher Wald, im Dannenröder Wald, in Lüchow, Keyenberg, Lützerath und aktuell im Fechenheimer Wald. Dabei ging es um Themen wie “Water is Life”, “Tren Maya”, “kolumbianische Blutkohle”, “Fracking”, “Pipelinebau, Kohleabbau, Teersand-Öl, Uran” oder “Vernichtung von Wäldern und Artensterben”. Auch auf dieser Website haben wir in einzelnen Blogs hierüber mal sachlich informativ, mal eher polemisch agitatorisch geschrieben, letzteres dann allerdings nicht im Sinne einer Vereinsposition, sondern als persönliche Kommentare des Verfassers. Dies gilt auch für diesen Blog.

Natürlich können wir vor dem Hintergrund globaler Krisen und Kriege, despotischer Regime und unsäglicher Repressionen, anhaltender Genozide, Ökozide und Femizide etc. uns fragen, wie bedeutsam in dieser unfassbaren Dimension der Unmenschlichkeit, des Grauens und Unrechtes zum Beispiel die bevorstehenden Räumungen des Ortes Lützerath oder des Fechenheimer Waldes bei Frankfurt sind. Doch dies ist an dieser Stelle eher eine rhetorische Frage. Beide Orte stehen als Symbole für einen lokalen, regionalen, bundesweiten aber auch globalen Kampf gegen Umweltzerstörung. Lützerath steht als Symbol für den sofortigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, für den Ausstieg aus fossiler Energiegewinnung, für die Ausweitung regenerativer Energien unter ökologisch, sozial und menschenrechtlich vertretbaren Bedingungen und als Widerstand gegen eine profitorientierte Wirtschaft (hier RWE) und eine diese hofierende verlogene, heuchlerische und Desinformationen verbreitende Politik (…und sorry, hieran haben sich die GRÜNEN im BUND und im LAND erheblich beteiligt – sowie in Hessen 2020/21 bei der Rodung des Dannenröder Waldes). Lützerath steht aber auch für einen Kampf für ein besseres Leben, jenseits uns kapitalistisch indoktrinierter Lebensgewohnheiten. Letzteres gilt auch für den besetzten Fechenheimer Wald. Darüber hinaus steht dieser symbolisch für eine konsequente Verkehrswendepolitik, gegen den Bau weiterer unsinniger Autobahnen, für den Ausbau eines attraktiven und preiswerten öffentlichen Personennahverkehrs, für Wald statt Asphalt. Und beide Orte waren auch für mich persönlich wichtige Orte bei den Lesertouren zu “Ein Leben für die Freiheit – Leonard Peltier und der indigene Widerstand”, bei denen ich vor Ort versuchte, den lokalen Widerstand und die lokale Problematik in einen intersektoralen Zusammenhang mit dem Kampf für Umwelt und Menschenrechte, für soziale Gerechtigkeit und für indigene Belange zu stellen. Und natürlich wollte ich somit auch für Verständnis für diese Aktionen werben, gleichermaßen aber auch zum Widerstand ermutigen.

Nun stehen die Räumungen beider Orte, die zu bundesweiten aber auch international bekannten Widerstandssymbolen wurden, bevor. Zu erwarten ist wieder, dass wie früher bei der Startbahn West und Landebahn Nord am Frankfurter Flughafen, im Wendland oder in Wackerdorf, im Hambacher oder Dannenröder Wald oder vielen anderen Aktionen, die versuchten die Umwelt vor Zerstörung zu schützen, Politik und Wirtschaft in ihrer Allianz des Vorgestrigen, die Drecksarbeit der Polizei und Bauarbeitern überlassen. Zu erwarten sind wieder unerträgliche Bilder staatlicher Gewalt, die Menschen, deren Bauwerken und der Natur angetan wird. Zu erwarten ist wieder, dass Medien bereits im vorabeilenden Gehorsam und auch danach bei aufflammenden Protest und Widerstand von Klimaterroristen, Ökokriminellen und Chaoten berichten – mal völlig abgesehen, dass diese Begriffe zu 100% auf die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft zutreffen, da diese Verantwortlichen trotz der eindeutig beschriebenen Szenarien zu Klimakatastrophe, Wasserknappheit, Umweltzerstörung und Artensterben das bestehende kapitalistisch-profitorientierte Zerstörungswerk weiterbetreiben. Und viele Medien unterstützen diesen Zerstörungsprozess in Form populistischer Desinformation und Hetze. Voran neben rechten und rechtsextremen Medien vor allem Medien des Axel Springer-Konzerns, die bereits in den 60er Jahren mit ihrer maßlosen Hetze mitverantwortlich für das Attentat auf Rudi Dutschke waren aber auch Medien aus NRW, wie z. B. die RHEINISCHE POST. (s.a. TAZ vom 2.1.2023 https://taz.de/Kritik-an-den-Kohlegegnern-von-Luetzerath/!5898647/ )

Soweit zum, wenn auch provokant-pointiert formulierten, nahezu Faktischen. Und ja, es gibt zumindest bei mir persönlich, denn dies ist mal wieder so ein persönlicher Blog, der nicht die Vereinsmeinung wiedergibt, in all dem unendlichen Grauen, Töten und Zerstören, in all der Repression, Folter, Unmenschlichkeit eben jene Momente, in denen bezogen auf politisches Denken und Handeln Klug- und Weisheit, Strategie und Pragmatismus immer wieder mit Emotionen wie Wut und Zorn versuchen in Balance zu kommen. Kurz, diese Widersprüche zwischen Möglichkeiten der Realpolitik und Notwendigkeiten eines radikalen Wandels sind mir bewusst. Auch die Frage, wie wir eine gesellschaftliche Mehrheit auf den Weg einer schnellen notwendigen gesellschaftlicher Transformation vorbereiten und mitnehmen können (was herrschende Politik seit über 4 Jahrzehnten versäumt hat) oder aber, ob es subversiver Aktionen im Sinne einer neuen APO bedarf, die im Zweifelsfalle auch auf das Wohlwollen und oberflächliche Verständnis (i.S.v. von verstehen aber nicht entsprechend zu handeln) eines Teils der Bevölkerung pfeift.

Zurückkommend auf den oben erwähnten Rheinische Post-Artikel, in dem über “Klimaterroristen”, “professionelle Kohlegegner”, “Öko-Ideologen” und “neue Apo” (welch ein hoffnungsstimmendes Kompliment!!!) gehetzt wird, statt auf die Ursachen der verzweifelten Reaktionsformen dieser Menschen, die unsere indigenen Freund*innen als “Protectors” bezeichnen, zu schauen, löst bei mir eine Erinnerungskette aus, die bis zur Mitte der 60er Jahre zurückreicht. Und da kann ich mit Greta Thunberg nur sagen “how dare you” (wie kannst du es wagen/wie könnt ihr es wagen), dies wäre die freundlichere Version. Oder aber “haltet endlich euer Maul, ihr habt es verwirkt uns noch etwas zu sagen” gerichtet an die alles seit Jahrhunderten alles beherrschenden und für Ausbeutung und Zerstörung verantwortlichen weißen Männer und Frauen gerichtet. Übrigens schließt dies uns als Konsumenten mit ein. Willkommen also zu einem verärgerten Trip von den 60er Jahren bis heute – erkennt ihr den roten Faden?

Ab Mitte der 60er Jahre gegenüber den Gammlern empörten sich hierzulande deutsche Neudemokrat*innen geschichtsbewusst (ja “-bewusst” und nicht “geschichtsvergessen”, denn sie hatten diese ja nicht vergessen) uns gegenüber, wir sollten uns doch besser ordentlich anziehen, statt Parka tragen, man solle uns die verlausten Haare scheren und statt in Parks herumzugammeln sollten wir besser in Arbeitslager interniert werden. Dabei hatten ordentlichen Deutsche 12 Jahre in zwei von ihnen verursachten barbarischen Weltkriegen ihre “Ware Arbeitskraft” sinnlos in Schützengräben vergammelt – im bösen Sinne “als Gammelfleisch”.

Als wir Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre gegen den imperialistischen Krieg der USA gegen Vietnam demonstrierten, weil wir die abendlichen Bilder von Napalmbomben-Teppichen und brennenden Menschen, den Einsatz von Agent Orange und dessen Folgen moralisch nicht mehr ertragen konnten, da tönte des Volkes Stimme (in einigen Features über die 60er Jahre und die Apo immer noch zu sehen), wir sollten doch dann lieber in die DDR oder UdSSR abgeschoben werden oder noch besser gleich an die Wand gestellt oder vergast werden. Und wer hatte Agent Organge produziert? Agent Orange wurde unter anderem von den US-Firmen Dow Chemical und Mobay, einem Gemeinschaftsunternehmen von Monsanto und der Bayer AG produziert, d.h. mit Wissen und Duldung eines deutschen Konzerns. In bester Tradition von Zyklon B.

Als wir in den 70er Jahren gegen Wohnraumzerstörung und Spekulantentum, Mietterror und Mietervertreibung in Frankfurt am Main Häuser und später gegen Umweltzerstörung und Risikoprojekte Bauplätze und Wälder besetzten, da riefen die ordentlichen Bürgerinnen und Bürger, konservative Politiker*innen aller damaligen Fraktionen und viele Medien nach langjährigen Haftstrafen. Keine 35 Jahre zuvor hat deren Generation andere Länder und Städte besetzt und für dieses kriegerische Tun noch Orden erhalten.

Und nun sind wir also die Ökoterroristen, Klimachaoten, Ökodiktatoren. Dass für unseren Wohlstand und Lebensstil, für unsere Konsumwünsche und unser Statusdenken, für unser Bruttosozialprodukt und nationales Wirtschaftswachstum Menschen in anderen Teilen der Welt ausgebeutet werden und unter entwürdigenden und menschenfeindlichen Bedingungen arbeiten müssen, dass deren Lebensgrundlagen geplündert werden und deren Umwelt zerstört wird, dass Umweltzerstörung und Artensterben Dimensionen annehmen, die kaum mehr reparabel sind, dass wir den zukünftigen Generationen eine Welt als ökologisches Trümmerfeld hinterlassen wird – all dies ist wohl eher das Verdienst von Ökopazifisten, Klimademokraten und Umweltheiligen in Wirtschaft und Politik. Bullshit, dies sind die echten Ökoterroristen, Klimachaoten, Ökodiktatoren.

Es zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte und diese Geschichte ist auch Teil meiner Biografie. Es ist die Geschichte der ewig Gestrigen, der Reaktionäre, der Besitzstandswahrer*innen -koste es was und wen es wolle, der an Profitmaximierung interessierten Herrschenden, der “Hauptsache es geht UNS gut” – Egoisten, der auf Nationalökonomien fokussierten Politik. Es ist vor allem die Geschichte der aus Europa kommenden sogenannten “Aufklärung” und deren innwohnenden kolonialistischen, rassistischen, ausbeuterischen Anteile, die Natur und Menschen der PoC zur Ausbeutung, Versklavung und Ermordung freigaben. Sorry, liebe Kantianer*innen und Hegelianer*innen, aber auch die europäische Aufklärung ist nicht sakrosankt. Es ist die Geschichte von uns weißen Männern und Frauen und somit auch unsere/meine Geschichte und geschichtlichen Verantwortung.

Nein, ihr – die ihr seit Jahrhunderten und Jahrzehnten an all diesem profitbringenden Zerstörungswahnsinn beteiligt ward und seid, ihr habt uns nichts mehr zu sagen, auch nicht über die Formen unseres Protests und Widerstands. Ob friedlich, ob ziviler Ungehorsam oder auch radikal und militant, solange Militanz nicht menschenverachtend, nicht lebensgefährdend, nicht zynisch und unverhältnismäßig oder auch situativ unangemessen ist, sich nicht gegen Menschen sondern gegen Ursachen und Strukturen richtet – lassen wir uns nicht spalten. Das Spektrum unserer Aktionen reicht über Gebete für Umwelt und Frieden und Mahnwachen, über Unterschriftenlisten und Interventionen bei Aktionärsversammlungen, Öffentlichkeitskampagnen und Demonstrationen bis hin zum zivilen Ungehorsam, Blockaden, Besetzungen, Aufzeigen der Verantwortlichen und Attacken gegen die Strukturen der Zerstörungen. Aber im Gegensatz zu den Rechten und Verschwörungsdeppen sind Angriffe auf die verantwortlichen Personen oder deren Wohnungen tabu. Wir sollten stets auf der Hut sein, nicht so zu werden, wie das was wir bekämpfen. Unsere Ziele sind Menschlichkeit, Gerechtigkeit, (Über)Leben in einer lebenswerten Welt auch für die kommenden Generationen, Bewahrung der Natur. Wir kämpfen für all das, was ihr permanent zerstört. Dies ist kein Aufruf zur Gewalt. Aber es ist auch kein Aufruf sich von Gewalt gegen Sachen und Strukturen zu distanzieren. United we stand, devided we fall, also lassen wir uns nicht von außen spalten. Die Diskussionen über Widerstandsformen finden unter uns statt. Denn ihr habt uns nichts mehr zu sagen. Auch nicht wie wir zu kämpfen haben. How dare you. Oder wacht endlich auf und stellt euch den schmerzhaften Erkenntnissen über Ursachen, Formen und eigener Beteiligung an der Zerstörung. Dann entscheidet euch, auf welcher Seite ihr steht und handelt entsprechend.

Wir werden auf unserer Website nun eine Unterseite mit Infos und Bildern zu Lützerath und Fechenheimer Wald einrichten. Dort findet ihr immer wieder neue Meldungen. Und wer Zeit hat sollte unbedingt nach Lützerath oder zum Fechenheimer Wald nach Frankfurt reisen, um der herrschenden Zerstörungspolitik massiv etwas entgegenzusetzen. Oder besucht die verantwortlichen Parteibüros, Regierungssitze und Konzernniederlassungen, auch der Zulieferer und drückt dort euren Protest aus. Lasst uns die Räumungen und Zerstörungen von Lützerath und Fechenheimer Wald verhindern oder zumindest behindern. Allen Aktiven Solidarität und Kraft, aufgrund einer Operation kann ich aktuell persönlich leider nicht bei Euch vor Ort sein. Doch sichelich sehen wir uns demnächst wieder, denn im Kampf für eine bessere Welt werden noch viele Kämpfe zu führen sein. In diesem Sinne, passt auf euch auf, wir brauchen euch alle für die Auseinandersetzungen der Zukunft. Wir sehen uns: vor den Barrikaden, hinter den Barrikaden und auf den Barrikaden.

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