Peltiers Statement in deutsch

Claus Biegert hat dankenswerter Weise das Statement Leonard Peltiers zum 41. Jahrestag des FBI-Überfalls in Oglala übersetzt. Wir waren an diesem Tag, dem 26.6.2016 mit vier Vertretern unseres Vereins und vier italienischen Unterstützern vor Ort und haben an den Aktionen teilgenommen. Mehr demnächst auf unserer Website.

Schwestern, Brüder, Freunde, Unterstützer:

Am 26. Juni 2016 waren es 41 Jahre, dass auf dem Grundstück der Familie Jumping Bull, nahe Oglala auf dem Reservat Pine Ridge, während eines Feuergefechts drei junge Männer den Tod fanden. Ich gehörte zu den vielen, die an dem Schußwechsel beteiligt waren. Ich habe die FBI-Agenten Ronald Williams und Jack Coler nicht getötet, trotzdem fühle ich in mir ein großes Bedauern für ihren frühen Tod, für den Tod meines Freundes Joe Stuntz und für ihre trauernden Liebsten und Verwandten. Ich denke, dass viele meiner Brüder und Schwestern, die an diesem Tag an diesem Ort waren, wünschten, sie könnten den Lauf der Dinge umkehren und dieses fatale Ende vermeiden.

 

Diese Bilder bleiben in meinem Kopf; jeden Tag beschäftige ich mich mit diesem Tag. Sobald ich zurück denke, sehe ich die Gesichter aller vor mir, die wir an diesem Tag angegriffen wurden. Wir dachten alle, dass wir jetzt umgebracht werden. Wir waren hier, um unsere Ältesten und unsere Kinder zu schützen und halfen ihnen, zu entkommen. Die Ureinwohner dieses Landes haben Angriff auf sie über die Jahrhunderte erlebt, und das historische Trauma der voran gegangenen Generationen brach sich in den Menschen an diesem Tag Bahn, und es griff auf die umliegenden Gemeinschaften über, als die Suche nach uns begann, die wir entkommen waren.

 

Als Ureinwohner der Schildkröteninsel leben wir jeden Tag mit der Erinnerung an die vergangenen Jahrhunderte, in denen man versuchte, uns auszulöschen, unsere Kultur zu erwürgen und jeden einzelnen von uns zu töten. Bis heute sind diese Erinnerungen lebendig und überall sichtbar: Indigene Völker als Maskottchen, der ungleich hohe Anteil von indianischen Gefängnisinsassen, die Vermarktung unserer Kultur, der nicht enden wollende Diebstahl unseres verbliebenen Landes, die Vergiftung unserer Mutter Erde – all dies ruft uns in Erinnerung, dass wir die Überlebenden eines massiven Völkermords sind. Wir leben jeden Tag mit diesem Trauma. Wenn wir atmen, atmen wir es ein, wenn wir essen, nehmen wir es mit auf, ebenso wenn wir trinken. Wir geben es an unsere Kinder weiter. Und wir kämpfen, um es zu überwinden.

 

Wie so viele andere indianische Kinder wurde auch ich meinen Eltern weg genommen, ich war noch keine zehn Jahre alt, und in eine Internatsschule gesteckt, mit dem Ziel, den „Indianer“ in mir auszulöschen. In jener Zeit war es uns verboten, unsere Stammessprachen zu sprechen. Wenn wir es taten, wurden wir geschlagen; das war noch die harmloseste aller Strafen. Unsere Jungen wurden erniedrigt, indem man ihnen gegen ihren Willen die langen Haare schnitt, obgleich diese Teil unseres spirituellen Lebens waren. Unsere Stammesnamen wurden durch englische Namen ersetzt. Diese erzwungene Assimilierung hat bis heute nicht aufgehört. Es ist noch gar nicht so lange her, da hörte ich von einem Menominee-Mädchen, das vom Basketball-Team ihrer Schule ausgeschlossen wurde, weil sie ihren Klassenkameradinnen „Hallo“ und „ich liebe dich“ in der Menominee-Sprache beigebracht hatte. Ständig werden Fälle bekannt, dass Studenten und Sportler Benachteiligungen erfahren, weil sie ihr Haar lang tragen oder eine Feder in ihrer Kappe.

 

 

Mit diesem kleinen Einblick in meine Geschichte wird vielleicht verständlich, dass ich als junger Mensch in den 60er und 70er Jahren mich dem indigenen Widerstand anschloss, um für unsere Menschenrechte, unsere Bürgerrecht und unsere Vertragsrechte zu kämpfen. Unsere Bewegung war in erster Linie eine spirituelle Bewegung, um unsere Zeremonien und Traditionen zurück zu holen und unsere Souveränität als indigene Nationen auszuüben. Mehr als ein Jahrhundert lang waren unsere wichtigsten Zeremonien verboten; wir durften unsere Lieder nicht singen und nicht zu unserer Trommel tanzen. Als wir, meine Altersgenossen und ich, zu Aktivisten wurden, gab es keine öffentlichen Sonnentänze. Jede Zeremonie fand im Verborgenen statt, aus Angst vor Repressalien.

 

Es gehörte zu unseren Aufgaben als Aktivisten, für das Wohlergehen unserer Leute einen geschützten Raum zu schaffen, in dem sie zu ihren alten Kulturen und spirituellen Gebräuchen zurückfinden konnten. Wir riskierten dabei unser Leben. Denn Menschen, die an verbotenen Zeremonien teilnahmen, und Menschen, die für unsere Ältesten und unser traditionelles Leben aufstanden, wurden geschlagen und sogar umgebracht; oder sie verschwanden einfach. Paramilitärische Truppen terrorisierten die Reservate. Wenn ein unbekanntes Fahrzeug unerwartet vor deinem Haus auftauchte, dann hast du mit dem Schlimmsten gerechnet. Das war der Alltag auf den Reservaten in den 70er Jahren.

 

Aber hört, ich will hier nicht nur ein düsteres Bild zeichnen! In den letzten Jahrzehnten hat sich das Leben für uns Stammesvölker Nordamerikas verbessert. Präsident Obamas hat sich wirklich bemüht, mit den indigenen Nationen eine neue Beziehung zu schmieden; seine Anstrengungen sind durchaus ein Grund für Optimismus. Vielleicht wird unsere Souveränität ja doch wieder Realität! Als souveräne Völker könnte sich auch unser Lebensstandard verbessern. Eine Heilung könnte dann einsetzen, und das könnte der Beginn einer langen Reise sein, die uns hilft, die Traumata der letzten 500 Jahre zu überwinden. Was aber tun wir, wenn die nächste Regierung alle Fortschritte der letzten acht Jahre rückgängig macht?

 

Oft werde ich in den Briefen, die ich bekomme, nach meiner Gesundheit gefragt. Dazu muss ich sagen, dass das letzte Jahr besonders hart für mich und meine Familie war. Ich bin nicht gesund und bekomme nicht die adäquate Behandlung. Der MRI-Test für mein Bauchaortenaneurysma wurde vor einem Monat gemacht, aber bis heute habe ich die Ergebnisse nicht erfahren.

Der letzte Monat bevor Präsident Obama das Weiße Haus verlässt, wird für mich sehr angespannt sein. Dieser Präsident ist meine letzte Hoffnung auf Freiheit. Wenn er mich nicht bis zum 20. Januar 2017 begnadigt, werde ich im Gefängnis sterben.

 

Ich bitte euch alle, in dieser kritischen Zeit die Kampagne für meine Freiheit zu unterstützen und für meine Freilassung zu kämpfen. Das Leonard Peltier Defense Committee wird euer Partner sein.

 

Ich danke euch für das, was ihr für mich getan habt und was ihr für mich tun werdet.

 

Im Geiste von Crazy Horse!

Doksha – ich werde an euch denken

Leonard Peltier

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