Lakota-Reservationen: Covid 19 Prävention und Staatsrepression (am 13.5. um 14:16 Uhr aktualisierte Version)

Lakota-Reservationen: Covid 19 Prävention und Staatsrepression (am 13.5. um 14:16 Uhr aktualisierte Version)

In den USA fordert die Covid 19 Pandemie immer mehr Todesopfer. In der öffentlichen Wahrnehmung hier sowie auch in den USA dominiert der Eindruck, dass vor allem große Städte an der Ost- und Westküste Hotspots der Pandemie sind. Schauen wir genauer hin, so mag dies sein, wobei die meisten Infizierungen Peoples of Color, Alte und Kranke betreffen, also Personengruppen, für die sich die herrschenden US-amerikanischen Kreise in Wirtschaft und Politik kaum interessieren.

Doch die Pandemie findet auch in den Staaten des Mittleren Westens ihre Hot Spots, z. B. in Sioux Falls/Süddakota. Hier konzentrieren sich die Infektionen vor allem bei den Mitarbeiter*innen und deren Kontaktpersonen um die dortige Niederlassung von Smithfield (Schweinefleischverarbeitung, ), einem Unternehmen der Shuanghui Group oder Shineway Group, dem größten Fleischproduzenten Chinas.

Aktuell sind in den Sioux(Lakota-, Dakota-, Nakota-)reservationen Süddakotas (Pine Ridge Res., Cheyenne River Res., Rosebud Res., Lower Brule Res., …) nur einzelne Covid 19 – Fälle registriert. Dennoch haben die „South Dakota Sioux Bands“ beschlossen, in den Reservationen auf den Straßen Kontrollposten (fälschlicherweise als Road Blocks bezeichnet) zu installieren, um eine Ausbreitung der Pandemie in die Reservate zu stoppen bzw. zu verringern. Wer die medizinische Versorgung in und um Reservationen kennt, weiß dass die dortigen Krankenhäuser auf einen Covid 19-Aúsbruch im größeren Maße nicht vorbereitet und ausgestattet sind. Und gerade beengte Wohnverhältnisse in den Housing Areas aber auch Trailern würden eine Ausbreitung der Virus-Infektion enorm beschleunigen. Und dies in Reservtionen, die ohnehin schon gekennzeichnet sind durch niedrige Lebenserwartung, hohe Kindersterblichkeit und hohe Vorerkrankungsraten (Herz-Kreislauf, Diabetes, Krebs, TBC, Dialyse aufgrund von Nierenschädigungen…)

Wie uns mitgeteilt wurde, wurden die Kontroll – Maßnahmen zuvor mit den entsprechenden Stellen des Bundesstaates (Road Department) besprochen und durch diese auch legitimiert. Anfänglich wurden diese Kontrollen durch bezahlte Mitarbeiter*innen eines indianischen Sicherheitsunternehmens durchgeführt, in Pine Ridge sind jedoch mittlerweile auch Polizisten der Stammespolizei im Einsatz. Kontrolliert werden an allen Bundes-, Staats-, County- und auch BIA_Straßen Autos, wobei Fahrer*innen und Mitfahrende auf Anzeichen einer Infektion gecheckt werden. Süd Dakotas republikanische Gouverneurin  Kristi Noem erachtet vor allem die Kontrollen an Bundes- und Staatsstraßen als illegal. Die Stämme der Oglala (Pine Ridge Res.) und Cheyene River (Cheyenne River Res.) hätten die zuständigen staatlichen Stellen konsultieren und sich die Maßnahmen erlauben lassen sollen. Genau dies ist nach unserer Anfrage bei informierten Kreisen der Oglala auch geschehen. Harold Frazier, Vorsitzender des Cheyenne River  Sioux Tribes, antwortete sinngemäß auf Noems Attacke, dass Verträge es dem Stamm ermöglichen die Straßen zu überwachen und Reisende abzuweisen, wenn sie aus Gebieten stammen, die als Coronavirus-Hotspots bekannt sind. „Wir haben jedes gesetzliche Recht, das zu tun, was wir tun“, …. „Wir machen nur vorbeugende Maßnahmen. Es ist nichts, um Menschen zu behindern.“, so Frazier. „Wir schützen Stammesmitglieder aber auch nicht-Mitglieder….Wir retten Leben, unabhängig von der Herkunft.“ Vor allem da die Cheyenne River Lakota nur  wenige Krankenhausbetten im Reservat haben, können Kontrollpunkte Leben retten, so Frazier weiter.

Auch Julian Bear Runner, Präsident des Oglala Sioux Tribes, sagte, die Stämme hätten regelmäßig die staatlichen Behörden konsultiert, bestand jedoch darauf, dass Pierre (Hauptstadt Süd Dakotas) letztendlich keine Autorität habe über die getroffenen Maßnahmen in den Reservationen zu bestimmen. Running Bear: „Die Oglala-Band ist bereit, sich gegen fremde Eingriffe in unser tägliches Leben zu wehren. Wir haben ein älteres, überlegenes Recht, unsere eigenen Gesetze zu erlassen und von ihnen regiert zu werden“, sagte Bear Runner am Wochenende in einer Videobotschaft.  Hiermit reagierte er auch auf einen erneuten Angriff der Gouverneurin, die den Oglala Lakota und Cheyenne River Lakota Freitag, den 8. Mai eine 48stündige Frist einräumte, die Kontrollpunkte an den Bundes- und Staatsstraßen aufzulösen. Ansonsten würde sie auch Mitglieder der Süddakota Highway Patrol, der State Police und der Nationalgarde in die beiden Reservationen senden, um  „Recht“ durchzusetzen. Noem, die als überzeugte Trump-Unterstützerin wohl verstärkt „Muskeln zeigen will“ hat immerhin eines damit erreicht. In beiden Reservationen findet bei den Bewohner*innen eine Mobilisierung statt, die Kontrollposten zu verteidigen und die Polizeikräfte nicht in die Reservationen kommen zu lassen. Auch der Gouverneurin soll laut Aussage einiger Aktivist*innen der Zutritt zu den beiden Reservationen verwehrt werden. Die von den Stammesregierungen angeordneten Straßenkontrollen werden jedoch nicht nur von vielen Reservationsbewohner*innen unterstützt und verteidigt. Auch das American Indian Movement (AIM), AIM-Grassroots & die United Urban Warrior Society beobachten die Entwicklung und werden aktiv.

Vor dem Hintergrund des eigentlichen Anlasses ist die durch Gouverneurin Kristi Noem vorangetriebene Eskalation nur ein weiterer Indikator ihrer reaktionär-rassistischen Politik. Sie versucht Natives gegen Non-Natives auszuspielen, negiert dabei die möglichen fatalen Folgen, wenn Covid 19 in den Reservationen massenhaft ausbrechen würde und setzt dabei das Leben vieler hundert Menschen aufs Spiel. Dass es auch anders gehen kann, zeigt sich in der Navajo-Reservation. Hier haben bereits sehr früh Konsultationen der Stammesregierung mit den politischen Vertretern dazu geführt, dass auf den Straßen Kontrollpunkte zwecks Corona – Prävention stattfinden. Allerdings haben sich in der Navajo-Reservation von den dort 173.776 lebenden Menschen mittlerweile bereits 3.204 infiziert, 102 sind an den Folgen der Infektion verstorben (Stand: 11.5.2020). Damit liegt die Infektionsrate der Navajo Nation knapp über der von Staaten mit den höchsten Infektionsraten, wie  New York, New Jersey and Massachusetts. Durch die Straßenkontrollen sei möglicherweise eine noch höhere Infektionsrate in der Reservation bislang verhindert worden.

Den Straßenkontrollen kommt neben dem Aspekt der Covid 19 – Prävention noch eine weitere Bedeutung zu, die nicht unterschätzt werden sollte: hier übernehmen die “Stämme” sichtbar Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mitglieder und auch für andere Nutzer der Straßen. Dies ist mit Engagement und solidarischem Verhalten verbunden und bewirkt somit Empowerment und indigenes Selbstbewußtsein. Außerdem rückt es auch Aspekte wie Selbstbestimmung und Souveränität in den Vordergrund.

So wichtig die Straßenkontrollen aus Präventionsgründen auch sein mögen, sie allein reichen nicht aus. Unsere Partnerprojekte in der Pine Ridge Reservation sehen die Notwendigkeit, Maßnahmen von Gesundheitsaufklärung und Schutzmaßnahmen schnellstens auszubauen. Es gäbe immer noch viele Menschen in den Reservationen, die entweder nicht ausreichend informiert sind oder aber leichtfertig Präventionsmaßnahmen missachten. Auf der anderen Seite sind von den Shut Downs der Läden & Schulen usw. sowie von den Empfehlungen möglichst zuhause zu bleiben vor allem ältere, alleinstehende, kranke und auch wohnsitzlose Menschen betroffen. Viele können nicht einkaufen, sind von medizinischer Versorgung abgeschnitten oder können sich kaum die notwendigsten Hygiene- und Gesundheitsartikel leisten. In der Pine Ridge Reservation sind, wie uns beim Schreiben des Artikels mitgeteilt wurde, am 12.5. zwei weitere Covid 19-Infektionen gemeldet worden, worauf ein 3tägiger Lockdown beschlossen wurde, um eine Weiterverbreitung in der Reservation möglichst einzudämmen. Als Verein, der die Unterstützung indigener Jugend-, Kultur-, Gesundheits-, Umwelt-, Sozial- und Menschenrechtsprojekte zum Ziel hat, werden wir 2020 neben unseren Bemühungen, den indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier aus der Haft zu bekommen daher einen Schwerpunkt in der Unterstützung von Gesundheitsprojekten in Reservationen legen. Wir werden weitere Informationen folgen lassen.

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