Redebeitrag zu Leonard Peltier anlässlich des Tages der politischen Gefangenen und RH – Beilage zum 18.3.
Bei der heutigen Tour de Revolte et Repression wurde in Frankfurt am US-Generalkonsulat u. a. auch auf das Schicksal des indianischen Langzeitgefangenen Leonard Peltier hingewiesen. Damit der Stopp am Konsulat nicht zu lange dauerte, wurde der Beitrag bewusst gekürzt. Hier der vollständige Beitrag, den M. Koch verfasst hatte. Außerdem finden sich in der diesjährigen Rote Hilfe Zeitung zum 18.3., die u. a. auch der jungenWelt beigelegt ist, neben vielen weiteren guten Artikeln auch zwei Artikel der Autoren des Buchers “Ein Leben für die Freiheit – Leonard Peltier und der indianische Widerstand”. Michael Schiffmanns Artikel beschreibt die aktuelle Situation Mumia Abu-Jamals, der Artikel Michael Kochs befasst sich mit Peltier. Beide Artikel befinden sich auf der gleichen Seite.
Seit Dezember 2000 finden vor dem Frankfurter US-Generalkonsulat anfangs mal immer wieder und seit knapp August 2014 monatlich regelmäßig Mahnwachen für die politischen Gefangenen in den USA, gegen die Todesstrafe und Guantanamo oder gegen die aggressive Hegemonialpolitik der USA statt. Neben den Cuban 5und Mumia Abu – Jamal steht hierbei regelmäßig der indigene politische Langzeitgefangene Leonard Peltier. Peltier, der diesen September 74 Jahre alt wird, ist seit über 42 Jahren inhaftiert. Kurz zum Hintergrund: Das American Indian Movement, eine analog der Black Panthers 1968 entstandene indigene Selbstverteidigungs- und Widerstandsbewegung, wurde aufgrund anhaltender Morde an indianischen Traditionalist*innen sowie sich politisierenden Native Americas von großen Teilen der Oglalal-Lakota um Schutz vor den tödlichen Angriffen einer Todesschwadron gebeten, die im Auftrag der korrupten Stammesregierung und mit Billigung und Unterstützung durch FBI und Polizei anhaltenden Terror in der Reservation verbreitete. Der tödliche Schusswechsel zwischen FBI und diversen Polizeieinheiten einerseits sowie Aktivist*innen des American Indian Movements sowie Bewohner*innen der Pine Ridge Reservation andererseits entstand nach einer überfallartigen Aktion von zwei FBI-Agenten, die in das AIM-Schutzcamp rasten. Am Ende forderte diese FBI-Aktion drei Menschenleben, nämlich die der beiden FBI-Beamten selbst und das eines jungen AIM-Aktivisten. Die darauf einsetzende Polizeiaktion richtete sich namentlich vor allem gegen drei AIM-Aktivisten, von denen dann zwei später freigesprochen wurden. Hinweis und Begründung des Richters: anzunehmende Notwehrsituation sowie Unglaubwürdigkeit der sichtlich durch das FBI manipulierten Beweise. Leonard Peltier stand nun allein im Fokus der internationalen Fahndung. Er wurde am 6. Februar 1976 in Kanada festgenommen und aufgrund durch das FBI manipulierter „Beweise“ an die USA ausgeliefert, angeklagt und am 2. Juni 1977 zu zweimal lebenslänglicher Haft verurteilt. Der anfängliche Tatvorwurf des Mordes an zwei FBI-Agenten wurde zwar in Ermangelung an Beweisen umgeändert in Mitwisserschaft und Mittäterschaft. Doch das o.g. Strafmaß blieb. Ähnlich wie in anderen politischen Verfahren wurden Entlastungsbeweise unterschlagen, angebliche Zeugenaussagen erpresst, Falschaussagen als Wahrheit ausgegeben, Widersprüche ignoriert und alle Hinweise, die zum Freispruch der beiden früheren Angeklagten geführt hatten einfach nicht zugelassen. Längst haben auch Teile der Justiz bis hin zu ehemaligen FBI-Agenten eingeräumt, dass es gegen Peltier überhaupt keine Beweise gäbe, dass er doch aller Wahrscheinlichkeit nach nicht der Todesschütze sei, doch das FBI hat immer wieder darauf bestanden, dass Peltier erst als toter Mann den Knast verlassen wird.
42 Jahre bedeuten für Peltier 42 Jahre Haft in Hochsicherheitsknästen, immer wieder Isohaft oder Lockdown, immer wieder Attacken durch Mitgefangene und einen versuchten Mordanschlag, immer wieder Pendeln zwischen Hoffnung auf Freiheit und maßlose Enttäuschung, wenn sicher geglaubte Begnadigungen abgelehnt wurden, immer wieder lebensgefährdende Erkrankungen und ausbleibende medizinische Versorgung, immer wieder die Verweigerung zu den Beerdigungen naher Familienangehöriger zu gehen (so nach dem Tod seiner Mutter, seiner Schwester Vivian 2015 und seines Sohnes Paul 2016). Es sind aber auch 42 Jahre aus der Haft heraus stattfindenden konsequenten politischen Engagements und dies selbst bei ständig schweren und schwersten gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Nach schwerer Herzkreislauferkrankung und Diabetes, einem Ende 2016 festgestellten lebensbedrohlichen Bauchschlagader-Aneurysma wurde Peltier 2017 aufgrund starker Hüftschmerzen immer häufig bettlägerig. September 2017 erhielt er immerhin einen Rollstuhl, der seine Mobilität wieder vergrößerte. Ende September 2017 wurde ihm dann ein dreifacher Bypass im Herzbereich gelegt. Von der schweren Herzoperation hat sich Peltier mittlerweile ganz gut erholt. In seinen aktuellen Statements aus dem Knast solidarisiert er sich mit den Bewegungen gegen Pipelinebau, klagt die allgegenwärtige Gewalt gegen indigene Frauen in Nordamerika an und ruft die Indigenen zum Kampf um ihre Rechte und zur Verteidigung der Umwelt gegen deren Zerstörung auf. Auch im Jahr Eins nach der Begnadigungsablehnung durch Obama ist es nicht gelungen Peltier und seine Unterstützer zum Schweigen zu bringen. Peltier weiß, dass seine Lebenszeit endlich ist. Umso wichtiger ist es, dass wir immer wieder unsere Solidarität zeigen. Diese Solidarität gilt auch den Aktivist*innen, Angeklagten und bereits Inhaftierten der Auseinandersetzungen um die Pipeline-Projekte wie Keystone XL – Pipeline oder Dakota Access Oil Pipeline und nun nachfolgender Pipeline- Projekte. Die US-amerikanische Politik, Polizei und Justiz schießt sich nach einigen Jahrzehnten relativer Ruhe erneut auf den indigenen Widerstand ein. Setzen wir dem unsere Solidarität entgegen.
Grüße an alle Genossinnen und Genossen heute in Frankfurt von der 6. Lese- und Vortragstour aus Hamburg. Michael Koch
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