Stellungnahme von Leonard Peltier an das Internationale Tribunal des Gewissens, 26. September 2015
Wir übernehmen die Übersetzung von Yvonne Bangert von der GfbV:
Seid gegrüßt, meine Freunde und Verwandten,
während ich durch meine Zellentür hindurchblicke, stelle ich mir die vielen Türen und Wände vor, die zwischen mir und der Freiheit liegen. Obgleich ich seit ich hierher ins USP Coleman kam schon zwei Mal die Empfehlung für eine Verlegung in eine Haftanstalt mit mittlerer Sicherheitsstufe hatte, bin ich zurzeit abgestellt in einem Hochsicherheitsgefängnis in Florida. Diese Hochsicherheitseinrichtungen sind jeweils von einer hohen Mauer umgeben. Für uns da drinnen gibt es keinen Horizont.
Während ich über diese gegenständlichen Hindernisse meiner eigenen Freiheit nachdenke, frage ich mich, wie viele Wände wohl zwischen EUCH und der Freiheit sind. Wie viele dieser Wände sind wohl unsichtbar – wie die imaginären Grenzen, die von Eroberern, einflussreichen Parteipolitikern und Regierungen errichtet werden – nichts anderes als Hindernisse für die Bewegungsfreiheit indigener Völker?
Es ist eine große Ehre für mich, in Abwesenheit Teilnehmer des Internationalen Tribunals des Gewissens zu sein. (Anm. Das International Tribunal of Conscience ist die erste Anhörung über Menschenrechte, Einwanderungsgesetzgebung und die Auswirkungen der US-Politik in Mexiko und Mittelamerika und fand am 25./26. September 2015 in New York City statt)
Ich stelle fest, dass die 43 verschwundenen Studenten aus dem ländlichen Lehrerkolleg in Gerrero (Mexiko) schon seit langem nicht mehr in den Schlagzeilen auftauchen. Es ist zwingend notwendig, dass diese jungen Menschen, die hauptsächlich aus Mexikos ärmsten indigenen Gemeinden stammen, niemals vergessen werden. Vielleicht dienen diese Studenten unfreiwillig als Erinnerung daran, dass unser kollektiver Kampf noch lange nicht vorüber ist. Todesschwadrone sind immer noch weit verbreitet, und es sind immer die armen und besonders verwundbaren Menschen, die das größte Leid und die größte Ungerechtigkeit ertragen müssen. Diese Todesschwadrone gleichen sich überall in der Welt, denn sie dienen alle demselben Herren – der Gier, die Menschen dazu treibt, andere zu foltern, zu terrorisieren und zu töten, wobei sie vergessen, das wir alle in Wahrheit miteinander verwandt sind.
Ein nicht sehr bekannter Aspekt meines Falles ist, dass in den 1970er Jahren ebensolche Todesschwadrone in den Reservationen existierten. Korrupte Stammespolizisten wurden von Bundespolizei bewaffnet und gefördert. Vor dem Feuergefecht vom 26. Juni 1975 auf der Pine Ridge Reservation – ein Zwischenfall, wegen dem ich nun seit nahezu 40 Jahren hinter Gittern sitze – wurden etwa 60 Menschen, die mit dem Wiedererwachen unserer traditionellen spirituellen Praktiken und dem neuerlichen Kampf um Souveränität in Verbindung standen, ermordet oder verschwanden spurlos. In den fünf Monaten zuvor wurden aus der Reservation mehr gewaltsame Zwischenfälle gemeldet als in ganz Süddakota zusammen. Während der Suche nach meinen Mitangeklagten und mir wurden die Einwohner von Pine Ridge durch diese Paramilitärs, die unter Führung vor allem des Federal Bureau of Investigation standen, terrorisiert. Unschuldige Menschen wurden eingeschüchtert, bedroht und brutal misshandelt. Bis zum heutigen Tag ist keiner dieser Akte des Terrorismus vollständig aufgeklärt worden.
In meinem eigenen und dem Namen des International Leonard Peltier Defense Committee danke ich den Organisatoren des International Tribunal of Conscience, der National Lawyers Guild (Anwaltskammer) und unseren Gastgebern an der Universität New York. Ich ermutige alle Verteidiger der Menschenrechte, die Zusammenarbeit zu unseren gemeinsamen Anliegen in unserem Existenzkampf fortzusetzen.
Im Geiste von Crazy Horse
Doksha
Leonard Peltier
Mehr zum International Tribunal of Consciense – http://internationaltribunalofconscience.org
Deutsch von bgt.
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