Justiz- & Polizeigewalt gegen Menschenrechts-, Umwelt- und AntiFa-Aktivist*Innen – ein persönlicher Kommentar

Ein Blick zurück: vergangene Woche fand im Auftrag des bayerischen LKA und der Generalstaatsanwaltschaft München eine bundesweite Razzia gegen Aktivist*innen der LETZTEN GENERATION statt. Nun soll geprüft werden, ob die Gruppe eine kriminelle Vereinigung sei. Hetzerische Medien a la BILD, reaktionäre Politiker*innen wie Söder und Konsorten und auch vermeintlich liberalere wie Nancy Faser meldeten sich mit markigen Worten und begrüßten die Aktion. Der ewig-gestrige Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verteidigte dieses Vorgehen mit der dumm-dreisten Rhetorik für BILD-Leser*innen mit den Worten: “Die Bevölkerung, die unter dem Straßenterror ….täglich tausendfach leidet, wird endlich als tatsächliche Opfer dieser Kriminellen wahrgenommen.” Abgesehen, dass Wendt hiermit eine Vorverurteilung betreibt, ist er tatsächlich zu blind, um den wahren Straßenterror zu sehen: tägliche Staus in den Rush-Hours, tausende tote und schwerverletzte Unfallopfer jährlich, zersiedelte Landschaften und Bodenversieglung, Luftverschmutzung durch Feinstaub und CO2. Herr Wendt sollte sich lieber lauthals um die zahlreichen Neonazis, Rassist*innen und Faschist*innen in den eigenen Reihen kümmern. Wer hier die tatsächliche kriminelle Vereinigung ist, liegt nahe: die Lobby der Automobilindustrie und deren Büttel in der Politik. All jene, die ein “weiterso” und “not in my back yard” betreiben. Und all jene, die immer noch nicht begreifen wollen wie Umweltzerstörung vor allem mit Menschenrechtsverletzungen und Armut im globalen Süden und bei Indigenen zusammenhängen.

In diesem Sinne solidarisiere ich mich bei aller Kritik an den Aktionsformen der LG mit dieser Gruppe. Zum einen sind ihre Aktionen gegenüber den täglichen sonstigen Verkehrsstaus ein Witz, dennoch bleibt die Frage offen, ob diese Aktionsformen nicht eher vom eigentlichen Thema ablenken und den ewig gestrigen Hetzter*innen, dem Kapital und den Reaktionären dienen. Und außerdem sind die Forderungen der LG so furchterregend staatstragend. Nichts gegen diese Forderungen (9 € – Ticket, Tempo 100), deren Umsetzung schon mal ein Zeichen wäre. Doch es benötigt erheblich weitergehende Forderungen nach einem gesellschaftlichen Umbau, weg aus der kapitalistischen Konsumfalle und hin zu einer solidarischen Globalpolitik.

Ein Blick nach vorne: kommende Woche wird das Urteil gegen die Leipziger Autonome Lina E. sowie drei Mitangeklagte erwartet. Auch hier sind seitens der Justiz härteste Strafen zu erwarten. Auch hier kann angemerkt werden, dass Hammerschläge auf die Köpfe von Neonazis nicht okay sind. Dass allerdings militante antifaschistische Aktionen in Anbetracht der vielen Schwerverletzten und Toten durch rechte Gewalttäter durchaus verständlich sind, um rechte Macht- und Terrorstrukturen zu zerschlagen, sollte auch erwähnt werden. Hier stimmen wir der Leipziger Gruppe “Rassimus tötet” zu, die schon vor Monaten zum Fall Lina E. erklärte: Es sei gut, dass “Faschos in ihre Grenzen gewiesen werden”. Aber: “Militanz als Selbstzweck ist kein Bestandteil emanzipatorischer Praxen.”

Es bleibt ein übler Nachgeschmack, wenn wir an die Verstrickungen von Polizei, Verfassungsschutz und Politik mit den NSU-Morden, an die milden Urteile gegen rechte Gewalttäter*innen oder an die braunen Gesell*innen in Polizei, Armee, Justiz denken. In diesem Sinne solidarisieren wir uns mit allen AntiFaschist*innen – gerade heute, anlässlich des 30. Jahrestages des mörderischen Brandanschlages auf die Familie Genc in Solingen.

Michael Koch

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