Wer ist Leonard Peltier

Leonard Peltier wurde am 12. September 1944 in Grand Forks (Great Turtle Island), North Dakota geboren und stammt von Ojibway (Chippewa) und Dakota Sioux ab, wurde dann aber traditionell von den Lakota angenommen. Nach der Scheidung seiner Eltern, lebte er seit dem 4. Lebensjahr fünf Jahre bei den Großeltern väterlicherseits in North-Dakota.

1953 erging es Peltier wie vielen indianischen Kindern in den USA und Kanada. Er wurde von Regierungsangestellten von zuhause abgeholt und gegen seinen Willen und gegen den Willen seiner Großmutter in eine Internatsschule des Buero of Indian Affairs (BIA) gebracht. In einer dieser boardingschools zu landen bedeutete für junge Native Americans nicht nur gegen ihren Willen gewaltsam aus Familie und dem bisherigen Leben herausgerissen zu werden. In den boardingschools wurden ihnen die Haare kurzgeschoren, sie wurden in Schuluniformen gezwungen, es wurde ihnen verboten in ihrer Sprache zu sprechen, ihre Lieder zu singen, ihren Glauben zu praktizieren. Durchgesetzt wurden diese Ge- und Verbote mit brutalster physischer und psychischer Gewalt, mit Entwürdigung, (sexuellen) Misshandlungen und Freiheitsentzug. (Näher hierzu in R. Wagamese: Hüter der Trommel; dem Film von Klaus Scheidsteger: Wir könnten trotzdem Brüder sein … WDR 1995; auf der CD von Albert Mangelsdorff und Okshila Tatanka: Lyrik & Jazz “Wounded Knee” und in dem ausdrucksstarken kanadischen Spielfilm von Bruce Pittmann “Wo ich zuhause bin”).  Leonard Peltier bezeichnete in seiner Autobiografie “Mein Leben ist mein Sonnentanz” die Jahre in dieser „Schule“ als seine erste Haftstrafe.

Nach dem Hauptschulabschluss kehrte Peltier 1957 wieder in die Reservation zurück. Zu dieser Zeit hatte der Kongress eine Resolution verabschiedet, die von dem damals noch amtierenden Präsidenten Eisenhower unterschrieben wurde und der zufolge alle indianischen Reservate aufgelöst und die dort lebenden Indianer umgesiedelt werden sollten. Ziel dieser vom ehemaligen Direktor der US-Kriegsumsiedlungsbehörde, Dillon Myer, entwickelten Relocation-Politik war es, die indianische Bevölkerung in einer aggressiven “melting pot- strategy” zwangszuassimilieren und somit die Zahl der Reservationsindianer zu senken. Um diese unmenschliche Vertreibungspolitik durchzusetzen,  stellte die US-Regierung Ende der 50er Jahre die ohnehin schon knappen Nahrungs- und Warenlieferungen an die Reservate ein.

Die Jugend Peltiers wurde durch diese Erlebnisse sehr stark mitgeprägt. Rückblickend beschrieb er diese Zeit so:  “Hunger war das einzige, von dem wir genügend hatten; oh ja, davon hatten wir ausreichend, genug für jeden. Wenn verzweifelte Mütter ihre Kinder mit aufgequollenen Bäuchen ins Krankenhaus brachten, lächelten die Schwestern und sagten ihnen, die Kinder hätten nur >Blähungen<. Ein kleines Mädchen, das ganz in der Nähe wohnte, starb an Unterernährung. Für mich wurde sie >aufgelöst<.” (L. Peltier: “Mein Leben ist mein Sonnentanz”, 1999, S. 113)

Die eigentliche Politisierung erfuhr Peltier durch die Medienberichte über einen Konflikt zwischen Non-Native Sportfischern und kommerziellen Fischern einerseits und indianischen Fischern andererseits:  Fernsehbilder, die  Polizisten zeigten, die indianische Demonstranten, auch Frauen und Kinder, mit Knüppeln blutig schlugen, misshandelten und erniedrigten  rüttelten ihn wach, wirkten  auf ihn, wie er sagte, wie ein Elektroschock. Wie viele andere Menschen in Nordamerika engagierte er sich ab den 60er Jahren mehr und mehr im Kampf für Bürger-, Menschen- und Indianerrechte.

Und wie viele andere ist Peltier auch ein „Kind von 1968“. In den USA entstand 1968 das American Indian Movement (AIM). Red Power wurde zum Kampfruf  der Native Americans gegen die Jahrhunderte lange Unterdrückung und den fortgesetzten latenten Genozid an den Ureinwohnern Amerikas. 1969 fand die erste spektakuläre Aktion statt, an der Peltier allerdings noch nicht teilnahm: die Besetzung der Gefängnisinsel ALCATRAZ. Diese Aktion wurde allerdings zum Vorbild für künftige Aktionen Peltiers.

So besetzte er gemeinsam mit anderen indianischen AktivistInnen 1970 Fort Lawton bei Seattle.1972 schloss Peltier sich dem AIM an und nahm u.a. am > March of broken Treaties<  in Washington teil. Als BIA-Beamte ihr Versprechen nicht einhielten, den Stammesältesten Unterkünfte zu besorgen und im Weißen Haus auch nicht die angekündigten Gesprächstermine eingehalten wurden, besetzten die Indianer spontan sieben Tage lang das Bureau of Indian Affairs (BIA) – Gebäude, nur ein paar Blocks vom Weißen Haus entfernt. Peltier wurde nun vom FBI verstärkt als Unruhestifter registriert.

Im gleichen Jahr wurde Peltier in Milwaukee in einen Streit mit Polizisten in Zivil verwickelt. Die Polizisten behaupteten, er habe sie mit einer Pistole bedroht und so wurde er  wegen versuchten Mordes angeklagt (1978 wurde Peltier vom Mordvorwurf freigesprochen).  Bis zum Verhandlungsbeginn verbrachte er 5 Monate im Gefängnis. Als er nach Zahlung einer Kaution freikam, tauchte Peltier im April 1973 unter, da er befürchtete, Opfer einer durch Polizei- und Geheimdienste angestifteten Feme zu werden. Da er nicht zum Verhandlungstermin in Milwaukee erschien, wurde erneut Haftbefehl gegen Peltier erlassen.

Zur gleichen Zeit hielten AIM-Aktivisten den Ort WOUNDED KNEE in der Pine Ridge-Reservation  besetzt. In diesem Konflikt eskalierte die militärische Gewalt der Staatsmacht. US-Marshals, FBI-Agenten, paramilitärische Gruppen des korrupten Stammesvorsitzenden Dick Wilson (GOONS) und weiße Bürgerwehr feuerten mehr als 250000 Schüsse auf die BesetzerInnen ab. Unter dem Kommando des späteren Nato-Oberbefehlshabers Alexander Haig wurden 17 Panzer, 12 Raketenwerfer, F4 Phantombomber, Kampfhubschrauber und jede Menge CS-Gas eingesetzt, um den Widerstand der Besetzer zu brechen. Die Militäroperation kostete mehr als 1 Milliarde US-$: mehr Geld als seit 1870 seitens des US- Staates für die Unterstützung der Menschen in Pine Ridge investiert wurde. 2 Native Americans wurden erschossen – eher ein Wunder, dass die Zahl der getöteten Besetzer nicht höher war. Peltier, der in Wounded Knee nicht dabei war,  engagierte sich seit seiner Flucht bei den Sicherheitskräften des AIM, nahm am Kampf um die Fischereirechte der Puyallup und Nisqually in Washington State und an AIM – Aktionen in Arizona und Wisconsin teil. 1975 kam er  erneut nach Pine Ridge.