Red Cloud Renewable Energy Center

Manche Blogs kommen doch früher als gedacht. Zurück nach siebenstündiger Bisonbeobachtung im Wind Cave National Park und Custer State Park (sorry, heißt leider so, wie der nächste Ort und das County – aber immerhin feierten wir am 25.6. mit unseren Lakota-Friends den 150. Jahrestag, an dem Custer und die 7. US-Kavallerie am Little Big Horn vernichtend geschlagen wurden), gab es vom Standplatz des Camp-Ground-Hosts WIFI. Also loslegen mit Schreiben, um nach zehn Minuten wegen aufkommender Thunderstorms wieder aufzuhören. Doch nach einer stürmischen Nacht hier doch noch unser nächster Artikel, mit Blick auf Prärie, kurz bevor die Dunkelheit die Geräusche der Nacht bringt: Wind, screaming Nighthawks and howling Coyoties.


Unsere erste Begegnung mit Henry Red Cloud hatten wir 2004, als wir im Rahmen unserer ersten deutsch-native american Jugendbegegnung beim Powwow in Manderson (Pine Ridge Reservation) waren. Noch vor dem zweiten Projekt 2006 war er als Referent unser Gast im Frankfurter Dritte Welt Haus und später dann auch im Offenbacher Ledermuseum sowie dem Kinder-, Jugend- und Kulturzentrum Sandgasse in Offenbach. Seit 2006 war Henry mit seinen Umweltprojekten dann fester Bestandteil unserer Jugend-(bis 2017) und später auch Erwachsenenreisen (2018/2019). Sein früheres Lakota Solar Enterprises- und heutiges Red Cloud Renewable Energy-Center ist somit einer unserer langjährigen Kooperationspartner, dass unser Verein immer wieder auch mit Spenden unterstützt hat. Lange Zeit war Leonard Peltiers Sohn, Paul Shield-Peltier (gest. Dez. 2016), bei Henry Red Cloud beschäftigt

Henry Red Cloud (66), ist Nachfahre des bekannten Lakota-Häuptlings Red Cloud aka Machpiya-luta(1822   – 1909 ).  Inspiriert durch frühere Vortragsreisen in Europa einerseits, die Lebensbedingungen in Reservationen sowie die globale Umweltdebatte andererseits, fing Henry Red Cloud früh an mit unterschiedlichen Formen nachhaltigen Wirtschaftens zu experimentieren. In dieser unerschöpflichen Kreativität und Experimentierfreudigkeit liegt auch seine zentrale Stärke. Hier einige Bereiche, mit denen er sich praktisch beschäftigte: Bisonzucht (aufgrund der Fleischqualität für die von Diabetes betroffenen Indigenen eine Alternative zu hormonbelasteten Rindfleisch), organic gardening (Subsistenzwirtschaft), Wind- und Solarenergie, Gebäudebau, Baumpflanzungen etc. Für seine Arbeit erhielt er u.a. den Nuklear Free Future Award und den Ehrendoktortitel für „social justice“ 2020 in Washington DC. In dem gleichen Jahr wurde er auch zum Häuptling  der Oglala ernannt.

Unterstützt wurde Henry Red Cloud einige Jahre lang durch VILLAGE EARTH, eine non-profit NGO. Heute liegen die Schwerpunkte des Red Cloud Renewable Energy Centers vor allem in den Bereichen Solarenergie, alternativer Gebäudebau und Baumpflanzaktionen. Von den ursprünglich im Manufakturverfahren hergestellten Sonnenreflektoren Anfang des 21. Jahrhunderts über den Bau mobiler Solarenergie-Versorgungsanlagen (u.a. eingesetzt bei den Camps gegen die Dakota Access Oil Pipeline (DAPL) 2016 bis hin zum heutigen Ausbildungsbetrieb für Solarenergie war es ein langer Weg. Mittlerweile finden auf dem Red Cloud Gelände regelmäßig Schulungen indigener Interessierter zum Thema „Solarenergie“ statt. Unter dem Namen Tribal Renewable Energy Coalition findet ein bis 2029 geplanter Zusammenschluss aus 19 (2024 auf der Website 14) indigenen Nationen statt, die an Schulungen teilnehmen und in ihren Reservationen die Solarenergie ausbauen wollen. Hierfür stehen insgesamt 135 Mio. Dollar zur Verfügung, d.h. jeder Nation (Stamm) über 7 Mio. US-Dollar. In allen beteiligten Reservationen sollen bis dahin jeweils 200 Solaranlagen errichtet werden.

Solarenergie, Windkraft, alternative Gebäudedämmung bzw. alternativer Gebäudebau sowie der Anbau Schatten spendender Bäume begründen sich dabei nicht nur ökologisch, sondern auch sozialpolitisch, da durch das Einsparen fossiler Energie die Energiekosten bis zu 60% und mehr gesenkt werden können. Für die unter Armutsbedingungen Bewohner*innen vieler Reservationen eine enorme finanzielle Entlastung, die durch biologischen Gemüseanbau noch weiter gehen kann.

Baumpflanzaktionen:

In den vergangenen Jahren hatte Henry Red Cloud mit einer reservationsweiten Pinien-Pflanzaktion insgesamt 323.000 junge Baum-Setzlinge gepflanzt bzw. deren Pflanzung angeregt. So erhielten Familien, die ihre Energieversorgung durch Solar-Energie erweitern wollten, die Solar-Pannels gratis, mussten aber dafür einige Bäume um ihr Haus pflanzen. Das hiermit nicht nur Schatten gespendet werden sollte, sondern auch Energiekosten reduziert (sowohl im Sommer als auch im Winter), der Grundwasserspiegel wieder angehoben und die Vegetation verbessert, dies waren weitere Nebeneffekte. Außerdem geht es bei all den genannten Projekten immer auch um die Vermittlung ökologischen Bewusstseins und die Erreichung von mehr Unabhängigkeit. Dies ist auch einer der Schwerpunkte, für die Henry Red Cloud als Häuptling der Oglala-Lakota dem Treaty Council (nicht dem Tribal Council, das ja der US-Regierung gegenüber verantwortlich und unterstellt ist) mitverantwortlich ist (Housing, Renewable Energy, Solar…..). Die beachtliche Zahl von 323.000 Pflanzungen bedeutet allerdings nicht, dass all diese Pflanzen bei der sommerlichen Hitze angegangen sind. Hiervon können wir leider ein Lied singen. 2019 hatten wir die Idee gemeinsam mit einer Reisegruppe aus Deutschland für jedes Haftjahr Leonard Peltiers ein Bäumchen zu pflanzen, also 43 Pinien. Leonard fand die Idee total toll: 43 Bäume „for healing, justice and freedom“ wie wir dies nannten. Die Setzlinge erhielten wir von Henry. Gepflanzt hatten wir sie auf dem Jumping bull Gelände, jenem Ort, an dem 1975 der tödliche Schusswechsel stattfand. Beim diesjährigen Oglala Commemoration Day konnten wir sehen, dass keines der Pflänzchen überlebt hatte, denn niemand hat sich später für die tägliche Wässerung verantwortlich gefühlt. Somit blieb es bei einer gutgemeinten symbolischen Aktion. Dennoch gibt es viele andere Stellen, an denen man die erfolgreiche Anpflanzaktion sehen kann.

Gebäude:

Im Laufe der Jahre entwickelte Henry unterschiedliche Konzepte für nachhaltige Bauweisen. So baute er einfache Strohballen-Häuser, die je Jahreszeit erheblich an Energiekosten einsparten, besonders wenn der Bau mit Solarenergie gekoppelt wurde. Später experimentierte er mit aus Straßenstaub und Matsch fabrizierten Backstein-Bauten. Zur Herstellung solcher Bausteine hatte er eine entsprechende Maschine entwickelt. Und aktuell baut er sogenannte Domes, eine besondere Art von Tiny Houses. Die Gebäudeform wird in einer Doppelfolie erstellt, deren Hohlraum mit einem Lehmgemisch ausgefüllt wird. Nach dem Trocknen kann die Folie entfernt und wieder verwendet werden. Nachträglich werden nun Fenster und Türen eingebaut, Elektrizität (Solar) und Wasser gelegt und dann die Innenausstattung ausgebaut. Diese Domes haben zwei Ebenen mit Wohn-, Küchenzeilen-, Sanitär- und Schlafräumlichkeiten. Small but beautiful. Am Ortseingang Pine Ridges stehen bereits drei Rohbauten, auf Henrys Gelände ebenfalls, wobei diese bereits fertig gestellt sind.

Zukunftspläne:

Bei unserem aktuellen fünftägigen Besuch in der Pine Ridge Reservation fanden wir wie in den Vorjahren unser Quartier wieder bei Henry und Gloria Red Cloud. Ebenfalls auf dem Gelände lebt die Familie von Henrys Sohn Cyrus Red Cloud. Temporäre Mitarbeiter, Freiwillige und auch Reservatsbesucher*innen finden ebenfalls Quartier. Zwischen den jeweils 14tägigen Ausbildungsprojekten fand Henry Zeit uns von seinen Zukunftsplänen zu berichten. Ca. 28 Meilen von dem derzeitigen 10 Hektar großen Gelände von Red Cloud Renewable Energy, dass eingerahmt von Wiesen, Büschen und Bäumen am Highway 18 zwischen Oglala und Pine Ridge liegt, soll an der Verbindungsstraße zwischen Oglala und Hermosa ein neues Trainingszentrum entstehen, mit Blick auf die Badlands und die Black Hills gleichermaßen. Derzeit stehen hierfür 80 Hektar zur Verfügung. Dieses Gelände läge strategisch günstig jeweils 45 – 60 Minuten entfernt von Rapid City, Rapid City Airport und Pine Ridge. Eines ist bei all diesen Plänen aber auch klar. Ohne die Mithilfe von Henrys Frau, Gloria Red Cloud, wäre all dies nicht möglich.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*

Sicherheitsfrage: * Time limit is exhausted. Please reload CAPTCHA.