Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung Deutschlands vom Faschismus am 8. Mai. (ein persönlicher Kommentar)
Die Welt, Deutschland und Menschenrechte: ein Trauerspiel
“An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern” (Erich Kästner)
“Auch jenes Kind sprach “ungefragte”, wie mancher, der die Wahrheit sagte; doch Leisetreter kriechen leider in des Kaisers “neue Kleider” (Des Kaisers “neue Kleider” (Mascha Kaléko)
(Ein sehr pesönlicher Kommentar, der nicht die Meinung des Vereins darstellt) Schweren Herzens hatte ich es unterlassen manche meiner Blogs online zu stellen, die sich mit der Komplexität des Verhältnisses von Freiheit, Frieden, Menschlichkeit, Menschenrechte und Menschenwürde einerseits sowie Barbarei, Hass, Unmenschlichkeit und Unterdrückung und Unfreiheit andererseits auseinandersetzten. Meine Fassungslosigkeit, Enttäuschung aber auch Wut über das Unvermögen von Empathie, kritischen Denken, Solidarität mit allen Opfern von Unterdrückung, Gewalt, Tyrannei, autoritären Strukturen in Geselllschaft und im eigenen Charakter war schwer in passende Worte zu giessen. Manche fragten mich, ob mir denn nichts zu all dem Grauen auf dieser Welt einfalle. Die Liste wird ja täglich länger: Sudan, Gaza, Ukraine, USA, Türkei, Ungarn….. Amnesty International zeigte gerade, dass Hinrichtungen auf dem höchsten Stand seit 10 Jahren liegen. Unmenschliche Haftbedingungen, Folter, Todesstrafe, Kriege und Bürgerkriege, Umweltzerstörung und damit verbunden Vertreibung und Ermordung der lokalen Bevölkerung (meist Indigene), Rassismus und Zynismus gegenüber den Ärmsten und Bedürftigsten, massenhafter Tod von Flüchtenden, Femizide, Ökozide, Genozide … Es müsste einen Aufschrei um diese Welt gehen, einen Aufschrei nach Gerechtigkeit und Frieden, nach Gleichheit und Versöhnung, Verständigung und gemeinsamer Lösungssuche für die tatsächlich entscheidenden Probleme dieses Planeten. Einen Aufschrei, der ein Beben oberhalb des Wertes 10 auf der Richterskala erzeugt. Doch was hören wir?
Ich lese viele kluge, anteilnehmende Texte zu dem, was gerade global geschieht. Aber ich höre auch viele Verkürzungen, Vereinfachungen, Einseitigkeiten. Von den Rechten, wo auch immer, erwarte ich nichts anderes. Unmenschlichkeit, Verrohung, Arroganz weißer Vorherrschaft, Dummheit und Hass sind seit jeher Merkmale rechter und rechtsextremer Gruppen, Parteien und Personen. Doch auch seitens der sich selbst so definierenden Linken finden wir Gleichgültigkeit, Desinteresse, eindimensionales Denken, Dogmatik, fehlende Empathie mit Opfern von Unterdrückung und Gewalt (es sei denn, diese kommt aus der Ecke der USA, NATO, westlichen Welt, des Kapitalismus). In bestimmten Teilen der Linken ist die Solidarität mit den Unterdrückten in Georgien und Belarus, in Hongkong, mit den Hamas-Opfern vom 7. Oktober, mit den Menschen in der Ukraine, mit den Gefangenen und Gefolterten Anarchist*innen, AntiFa-, Menschenrechts- und UmweltAktivist*innen, Journalist*innen in Russland, den Lagerinsassen in der VR China, den Gefangenen im Iran, dem anhaltenden Genozid an Indigenen in Amerika etc. kaum ein Thema. Was ist los, mit dieser Menschheit? Wie kommt es zu diesem Vakuum an Menschlichkeit, Moral, Empathie, Intellekt und Analysekompetenz in so vielen Hirnen und Herzen?
Rudi Dutschke und Herbert Marcuse würden sich in ihren Gräbern in Berlin-Dahlem und Berlin-Mitte umdrehen. Anlässlich des 80. Jahrestages der Befreiung Deutschland vom Faschismus am 8. Mai 2025 (ich weiß, die Faschist*innen sind in diesem Land wie auch anderswo nie ausgestorben und faschistisches bzw. faschistoides Denken und Handeln nehmen wieder zu) kann ich nicht absolut still bleiben. Zu wichtig dieser Tag, der -welch glückliche Vorsehung- auch mein Geburtstag ist, also nun doch ein paar polemisch bissige Zeilen, aber speziell zu diesem Lande, dieser Gesellschaft, diesen Menschen.
Denke ich an Deutschland und seine Politik und an seine anwachsende rechten Wähler*innen, so wird mir nur noch schlecht. Hass, Gleichgültigkeit, Fremdenfeindlichkeit und Menschenverachtung dominieren die deutsche Migrations- und Flüchtlingspolitik. Wenn Flüchtende im Mittelmeer ertrinken, in afrikansichen Wüsten verdursten, wenn Flüchtlingsheime brennen und der deutsche Mob auf den Strassen und Stammtischen seine altbekannte widerliche Visage zeigt, dann übernehmen “demokratische Parteien und Politiker*innen der Mitte” den Ball der Nazis mit der irrigen Hoffnung, dass sie somit Wählerstimmen und politisches Bewusstsein wieder zurück erobern könnten. Das ganze wird populistisch zusammengepanscht mit verkürzten und falsch interpretierten Statistiken zu Kriminalität und Gewalt. Statt sich gegen die Vereinfacher*innen und Hetzer*innen mit Moral, Argumenten und Fakten zu stellen, kopiert eine Allianz aus CDUCSUSPDFDPBSW und einigen Grünen die Politikziele der AFD und anderer Faschist*innen. Kein Wunder, dass auch die Sicherheitspolitik dieses Landes sich immer mehr einem rechtspopulistischen Trend anschließt: Gesetzesverschärfungen, Kontrollstaat, polizeiliche Todesschüsse (wie in Oldenburg, als ein Polizist den fliehende 21-jährigen Lorenz A. von hinten mit 5 Schüssen erschoss), Kriminaliserung von Umwelt- und AntiFa-Aktivist*innen (die Nacht- und Nebelauslieferung von Maja nach Budapest, die Fahndung nach weiteren Personen des sogenannten Budapest-Komplexes wie Nele A., Paul M., Paula P., Luca S. Moritz S. und Clara W. sowie der Prozess gegen Hanna S. in Nürnberg, das Verfahren gegen Ella > Danneröder Wald oder die Verurteilung von Lina E., die Kriminalisierung von ENDE GELÄNDE und LETZTE GENERATION), die Diffamierung Andersdenkender durch den neuen Bundeskanzler als “grüne und linke Spinner” und das notorische GRÜNEN-Bashing Markus Söders. Heute, am 8. Mai 2025, 80 Jahre nach dem Ende NAZI-Deutschlands, frage ich mich, was mögen wohl die Überlebenden von Ausschwitz und deren Angehörige über diese Land denken, ein Land, dass Menschenrechte zwar postuliert aber sich nicht angemessen politisch positioniert (die unzureichende Kritik an der verbrecherischen Politik der israelischen Regierung gegen die palästinensischen Menschen oder der türkischen Politik gegen Oppositionelle und Kurdinnen und Kurden, die Gleichgültigkeit und Untätigkeit der deutschen Menschenrechtsbeauftragten und der entsprechenden Asschussmitglieder im Falle des indigenen politischen Gefangenen Leonard Peltier quer durch alle Fraktionen (Ausnahme, einzelne EU-Abgeordnete der GRÜNEN und des Bundestages der LINKEN), die Gleichgültighkeit gegenüber Flüchtlingsschicksalen. Wir leben in einem Land, in dem Politik, Justiz und Polizei sowie Teile der Bevölkerung auf dem rechten Auge blind sind, dafür umso heftiger auf Linke, Umweltschützer*innen, AntiFa sich repressiv austoben. Schweigen im Lande, wenn ein jessidischer Flüchtling, der sich bestens integriert hat voln einem Amt vorgeladen wird, dort aber Handschellen und Abschiebung auf ihn warten (mal abgesehen, was für miese Menschen diese Abschiebehelfer*innen sind). Schweigen im Lande, wenn Schulen wegen rechter Drohungen geschlossen bleiben. Schweigen im Lande, wenn ein ein Rechtsextremist zum Stadtrat wird und Protestrufe mit hohen Geldstrafen geahndet werden. Nennt es Deutschland, meine Heimat ist dieses Land längst nicht mehr. Meine Heimat ist dort, wo solidarische, empathische, hilfsbereite, Menschen sich für Menschenrechte, Umwelt, soziale Gerechtigkeit, friedliches Zusammenleben einsetzen.
Doch wenn die “roll models” aus Politik sich gegenüber Menschenrechten, Umweltschutz, soziale Gerechtigkeit so präsentieren wie oben dargestellt, verwundert es nicht, dass Teile der Bevölkerung ebenso gleichgültig, verächtlich, dumm und dumpf denken, fühlen und handeln. Erst kommt das eigene ICH, Gruppen- und NATIONEN-ICH, dann kommt lange Zeit gar nichts. Statt “Mieten und Lebensmittelpreise runter” und “Steuern für Super-Reiche rauf” lieber rechte Parolen wiederholen und dabei die durchaus nicht perfekte Demokratie dieses Landes verächtlich machen und somit die wirklichen Opfer von Diktaturen verhöhnen. Statt Rede- und Pressefreiheit glaubwürdig zu verteidigen schreien die neo-faschistischen und quer-schwurbelnden (denn mit denken hat dies mal gar nichts zu tun) Geistesamöben Lügenpresse, während in ihren Musterländern Journalist*innen inhaftiert, gefoltert, getötet werden und die dumme Masse mit weiter verdummenden Meldungen gesättigt werden. Dass der immer noch bestehende Wohlstand in dieser Gesellschaft auf Ausbeutung von Mensch und Natur beruht und dies vor allem auf anderen Kontinenten und dies vor allem betreffend der Indigenen – wen interessiert dies in diesem Land, in dem wieder Kanonen blühen? Der 8. Mai, jedes Jahr, sollte Anlass sein über unsere eigenen reaktionären und autoritären Persönlichkeitsanteile selbstkritisch nachzudenken und wie wir uns mit den Entrechteten, Vertriebenen, Verfolgten, an Hunger und Durst nach Essen und Trinken sowie Menschlichkeit Leidenden solidarisieren können. Es wird leider noch sehr lange brauchen, bis wir uns -in Deutschland und anderswo- vom Faschismus in der Gesellschaft und dem Faschismus in uns Selbst befreit haben. la lucha continúa
Das Lied vom kleinen Mann (Erich Kästner)
Hoch klingt das Lied vom kleinen Mann!
Es klingt, so hoch ein Lied nur kann,
hoch über seinem Buckel.
Es braust ein Ruf wie Donnerhall:
Den Kleinen Mann gibt´s überall,
von Köln bis Posemuckel!
Der Kleine Mann, das ist ein Mann,
mit dem man alles machen kann.
Er schwärmt für milde Gaben
und ruft bei jedem Fehlbetrag:
„Der Reichstag ist der schönste Tag,
den wir auf Erden haben!“
Er stört nicht gern. Er wird regiert
Und so vom andern angeschmiert,
daß er sich selber wundert.
Und wenn wer seine Peitsche zückt,
dann ruft der Kleine Mann gebückt:
„Nicht fünfzig, sondern hundert!“
Er steht auf allen vieren stramm,
beladen mit dem Notprogramm,
und wartet auf den Schinder.
Er schleppt und darbt und nennt es Pflicht,
denkt nicht an sich und denkt auch nicht
einmal an seine Kinder!
Er ist so klein. Sein Herz ist rein.
Und eine Suppe brockt er ein,
die muß die Nachwelt essen.
Hoch klingt das Lied vom Kleinen Mann.
Und wer sein Sohn ist, hör sich´s an
Und möge es nicht vergessen!
Zeitgemäße Ansprache (Mascha Kaléko)
Wie kommt es nur, daß wir noch lachen,
Daß uns noch freuen Brot und Wein,
Daß wir die Nächte nicht durchwachen,
Verfolgt von tausend Hilfeschrein.
Habt ihr die Zeitung nicht gelesen,
Saht ihr des Grauens Abbild nicht?
Wer kann, als wäre nichts gewesen,
in Frieden nachgehn seiner Pflicht?
Klopft nicht der Schrecken an das Fenster,
rast nicht der Wahnsinn durch die Welt?
Siehst du nicht stündlich die Gespenster
Vom blutigroten Trümmerfeld –
Des Tags, im wohldurchheizten Raume:
Ein frierend Kind aus Hungerland,
Des Nachts im atemlosen Traume:
ein Antlitz, das du einst gekannt.
Wie kommt es nur, daß du am Morgen
Dies alles abtust wie ein Kleid
Und wieder trägst die kleinen Sorgen
Die kleinen Freuden, tagbereit.
Die Klugen lächeln leicht ironisch:
Ca c’est la vie. Des Lebens Sinn.
Denn ihre Sorge heißt, lakonisch:
Wo gehn wir heute abend hin?
Und nur der Toren Herz wird weise:
Sieh, auch der große Mensch ist klein.
Ihr lauten Lärmer, leise, leise.
Und laßt uns sehr bescheiden sein.
Und drei weitere Zitate zum Abschluss:
“Wir sind überzeugt, daß Freiheit ohne Sozialismus Privilegienwirtschaft und Ungerechtigkeit, und Sozialismus ohne Freiheit Sklaverei und Brutalität bedeutet.” (Michael Bakunin)

“Bitte seid Menschen” Margot Friedländer (geb. 1921), Holocaust-Überlebende, am 7. Mai 2025

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