Botschaft aus der Pine Ridge Reservation zum weltweiten Peltier – Aktionstag am 4.7.2013

Liebe KundgebungsteilnehmerInnen, liebe GenossInnen, liebe ZuhoererInnen

am heutigen 4.Juli 2013, der in den USA, wo ich  mich derzeit noch aufhalte, als Unabhaengigkeitstag gefeiert wird – uebrigens ein Tag, der nicht gerade ein Feiertag fuer die indianischen Ureinwohner ist, finden vor vielen US-Botschaften und – Konsulaten weltweit groessere und kleinere Solidaritaetsaktionen fuer Leonard Peltier statt. Ich freue mich, dass dies auch in Frankfurt am Main der Fall ist, sende Euch meine Gruesse und waere gerne bei Euch.

In Frankfurt haben wir das Motto erweitert, denn der Veranstalter, TOKATA – LPSG RheinMain, versteht sich als Buendnispartner mit all jenen, die sich auch fuer die Freiheit der anderen politischen Gefangenen aus dem fortschrittlichen Widerstand in den USA und anderswo engagieren. Im Fokus des weltweiten Aktionstages jedoch steht heute Leonard Peltier, jener indianische politische Gefangene, der seit nunmehr 37 Jahren in Haft sitzt, fuer eine Tat, die ihm niemals nachgewiesen werden konnte, von der er selbst sagt, er habe sie nicht begangen und wir ueber Tat- und Zeitzeugen glaubhafte Aussagen vorliegen haben, dass Peltier auch nicht der Todesschuetze der beiden FBI – Agenden sei, die am 26.Juni 1975 bei einem Schusswechsel in der Pine Ridge Reservation ums Leben kamen.

Was war geschehen? Eine korrupte Stammesregierung der Oglala Lakota hatte in den 70er Jahren in der Pine Ridge Reservation mit Hilfe durch das FBI und des Buero fuer indianische Angelegenheiten (BIA) und deren Polizei eine indianische Todesschwadron , die sogenannten GOONS, aufgebaut und bewaffnet, die in den kommenden Jahren taeglich Terror auf traditionelle Indianer sowie politisch engagierte Indianer des American Indian Movements und anderer  indianischer Buergerrechtsgruppen ausuebten. Kaltbluetig wurden Frauen, Kinder, Alte, spirituelle und politisch aktive Lakota zusammengeschossen, deren Haueser und Autos in Brand gesetzt, Frauen vergewaltigt, Sympathisanten ermordet. Offiziell liegt die Anzahl der Morde durch diese Todesschwadron bei 68 Personen, inoffizielle Zahlen berichten ueber Mordopfer im dreistelligen Bereich. Alles geschah mit Billigung, Bewaffnung und unter den Augen des FBI und der BIA – Polizei.

Mir selbst haben in den letzten Tagen viele Opfer dieses Terrors ihre Narben gezeigt. Doch dies waren nicht nur Splitter- und Schussnarben, sondern vor allem seelische Narben anhaltender Traumatisierung – es herrschte Buergerkrieg in der Reservation, denn der Praesident des Stammes wollte die Assimilation in das weisse Amerika vorantreiben und dazu auch grosse Teile der Reservation an den US – Staat veraeussern, u.a. da dort erhebliche Uranvorkommen lagerten.

Marodierende Goon-Banden schossen von ihren Pick-ups auf vorbeifahrende Autos mit panzerbrechender Munition, schossen durch die duennen Barackenwaende in die Wohnstuben der traditionellen Familien mit Maschinenpistolen und Maschinengewehren,lauerten mit Scharfschuetzen einzelnen Persoen auf und liquidierten diese. Es gab keine polizeiliche Verfolgung der Taten und keinerlei juristisches Nachspielt. Erst jetzt, 40 Jahre danach, beginnen juristische Ueberpruefungen der Morde, da der derzeitige Stammesvizepraesident Tom Poor Baer, selbst ein nach wie vor aktiver AIM – Aktivist ist. Dafuer dir allen Respekt, lieber Tom.

Wir hatten am 26.Juni 2013 einen kleinen Erinnerungs- und Demonstrationszug durch die bruetend heisse Reservation, hin zu jenem Ort, an dem die Schiesserei 1975 stattfand. Hier rasten zwei FBI – Special Agents mit ihren beiden Autos auf das Grundstueck einer indianischen Familie, die Familie Jumping Bull, deren damals schon 70 und 80jahre alten Grosseltern, seit laengerem durch die Goons bedroht wurden. Da zu erwarten war, dass nach den Drohungen auch Taten, naemlich deren Ermordung erfolgen wuerde, haben die Stammeshaeuptlinge, Stammesaeltesten und die spirituellen Fuehrer das Westcoast – AIM um Schutz, Hilfe und Unterstuetzung gebeten und das AIM West kam mit Dennis Banks, Dino und Nikla Butler, Steve und Bob Robideau und auch Leonard Peltier. Diese bauten ein Schutzcamp im  Tal unter den Haeusern der Jumping Bulls auf, ein Camp in dem Frauen und Kinder, selbst Babies dabei waren. Leonard Peltier genoss bei vielen Lakota ein hohes Ansehen, denn er foerderte Jugendprojekte gegen Alkohol- und Drogenmissbrauch, organisierte Sport- und Spielaktionen fuer junge Menschen, organisierte Hilfe fuer Alte und Kranke, achtete die Traditionen der Stammesaeltesten und war stets bereit sich und sein Leben als Schutzschild gegen die toedlichen Angriffe der Goons einzusetzen.

Niemand kann bis heute sagen, wer mit dem Schusswechsel begann, ob FBI oder indianische AIM- Aktivisten. Klar war: es herrschte Panik: schreiende Babies, Kinder, fluechtende Frauen, Jugendliche und Alte, Kreuzfeuer aus allen Richtungen – und mir liegen Aussagen vor, dass da auch weitere Polizisten des BIA schnell mit beteiligt waren, weniger um den beiden FBI-Agenten zu helfen, denn eher um die Situation eskalieren zu lassen damit ein fuer allemal mit AIM abgerechnet werden konnte.

Nach dem Tod der beiden FBI Agenten Coler und Williams sowie eines jungen AIM-Aktivisten, Joe Stuntz, folgte einer der groessten Polizeiaktionen der US-Geschichte, die fluechtenden AIM-Leute wurden durch die Medien und durch das FBI manipulierte Meldungen als Terroristen und Moerder bereits vorverurteilt. Doch bei den ersten folgenden Prozessen brach das ganze Luegengeruest der Anklage aufgrund der FBI-Manipulationen zusammen. Dino Butler und Bob Robideau wurden freigesprochen. Das Verfahren gegen Jimmy Eagle wurde erst gar nicht eroeffnet. Nun konzentrierte sich die Hetzjagd auf Leonard Peltier, der aufgrund massiver Beweismittelfaelschungen 1976 von Kanada an die USA ausgeliefert wurde, 1977 zu 2 x Lebenslaenglich verurteilt wurde und seit dem 5.2.1976 in Haft ist.

Leonard Peltier hat uns zu dem diesjaehrigen Aktionstag hier in Pine Ridge eine Botschaft geschickt. Er ist zwar ungebrochen, doch sein Gesundheitszustand verschlechtert sich zunehmends. Der fast 69jaehrige hat extremen Bluthochdruck, leidet an Diabetes und droht immer mehr zu erblinden, hat enorme Gehbeschwerden aufgrund einer sehr schmerzhaften Fersenspornerkrankung und leidet seit 2009 nach wie vor an Sympthomen, die denen von Prostatakrebs aehneln. Die exakten Untersuchungsergebnisse einer Untersuchung aus 2011 (also zwei Jahre nach Ausbruch der Krankheit !!!) sind weder Peltier noch seinen Anwaelten vorgelegt worden. Man kann dies durchaus als Folter- und Todesstrafenpraxis der etwas anderen Art bezeichnen, was hier an Peltier exerziert wird.

Ein Antrag, ihn aus dem Hochsicherheitsknast Coleman in Florida in einen Medium Security Knast naeher zu seiner Familie und Heimat zu verlegen, wurde die letzten Tage kommentarlos in Texas abgelehnt. So bleibt Leonard weiterhin weitestgehend von Freunden und Familie sozial isoliert.

Als Peltier jedoch ueber Handy uns bei der Kundgebung anrief und wir ueber Lautsprecher seine Worte fuer alle vernehmbar werden liessen, waren bei vielen Anwesenden Traenen zu sehen. > Wir haben AIM-West und ihn um Schutz und Hilfe gebeten und AIM – West und Leonard Peltier kamen und haben uns beschuetzt und uns geholfen. Sie haben uns wieder ein Gefuehl von Wuerde und Lebensmut gegeben. Sie haben unser Leben gerettet. Sie haben mit den Kindern im Reservat gespielt, den Alten Holz und Wasser und Lebensmittel geholt. Peltier ist unser Bruder und Onkel (ist sinnbildlich gemeint), viele von uns verdanken ihm ihr Leben und Ueberleben. Und seit 38 Jahren leidet er fuer uns, denn er ist im Knast, weil wir AIM und ihn baten zu kommen.< , so ein aelterer Oglala in einem Gespraech mit mir.

Ich hatte dann die Gelegenheit selbst mit Leonard Peltier zu reden und moechte Euch zum Schluss folgendes von ihm ausrichten:

Er dankt allen Menschen in Deutschland und Europa, die fuer ihn seit so langer Zeit kaempfen und sich fuer seine Freiheit, fuer Gerechtigkeit und fuer die indigenen Rechte weltweit einsetzen. Er sendet Euch seine Gruesse, seinen Dank und seine Bitte, bitte kaempft weiter, legt noch einen drauf, werdet mehr und lauter, hoert nicht auf, tut euch zusammen, vergesst ihn nicht. Er wird naechstes Jahr 70 Jahre alt und ueberall tut sich was, vielleicht sind das endlich die guten Zeichen, die er so lange herbeisehnt. 

In seinem Brief, den er an uns schrieb formulierte er dies dann so: Ich moecht endlich nachause, zu meiner Famile und meinen Freunden, zu meinen Kindern und Enkeln. Ich moechte aufwachen beim Geruch frischen Cowboykaffees (Bezeichnung fuer aufgebruehten schwarzen Kaffee, wie man das halt so Wild West Filmen kennt)  und bei den Stimmen von Vogelgezwitscher und dem Lachen meiner Lieben, statt des rasselnden Schluesselbundes meiner Waerter und dem Scheppern der Eisentueren hier im Knast.

Lasst uns daher weiter und in Zukunft erst recht fuer die Freiheit Leonard Peltiers kaempfen. Ich danke Euch heute fuer Euer Hiersein, fuer Eure Unterstuetzung und fuers Zuhoeren.

Aus der Pine Ridge Reservation

In the spirit of freedom and justice – in the spirit of Crazy Horse

fight for Peltiers freedom and indigenous rights – in peace and in struggle

and never forget  WHERE`S NO JUSTICE THERE`S NO PEACE

Euer Michael for TOKATA – LPSG RheinMain

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