Stellungnahme zum 40. Jahrestag der Besetzung Wounded Knees am 27.2.1973

Am morgigen Tag, den 27. Januar 2013 jährt sich zum vierzigsten Male die Besetzung von Wounded Knee, einem kleinen Ort in der Pine Ridge Reservation Süd – Dakotas. Traurige Berühmtheit erhielt dieser Ort aufgrund des Massakers der 7. US – Kavallerie im Winter 1890 an knapp 300 Minneconjou Lakota, die  hier unter Führung ihres schwer erkrankten Häuptlings Big Foot lagerten. Dieses Massaker, dem vor allem Frauen, Kinder und Alte am 29. Dezember 1890 zum Opfer fielen, war die letzte große militärische Aktion der US – Armee im Laufe der mehrhundertjährigen Völkermordgeschichte an den Ureinwohnern Nordamerikas. woundedkneeplakat

83 Jahre später, im Frühjahr 1973, waren es zuerst nicht mehr weiße Soldaten, die die indigene Bevölkerung in ihren Reservaten terrorisierte, unterdrückte und  liquidierte. In der Pine Ridge Reservation terrorisierte mittlerweile ein korrupte Stammesregierung und deren mörderische Todesschwadron, die Guardians of Oglala Nations (GOONS),   traditionelle Lakota Familien sowie indianische Aktivisten für Bürgerrechte und indigene Selbstbestimmung. Zynisch könnte man sagen, das weiße Amerika hat die anhaltende Unterdrückung der indianischen Bevölkerung an korrupte Apple – Indians (außen rot, innen weiß) outgesourct. Durch das Bureau of Indian Affairs und das FBI bestens mit modernsten Waffen auf- und ausgerüstet, brachten die Killer um Stammespräsident Dick Wilson in den ersten Jahren der 70er über 60 Lakota um, bis Stammesälteste das 1968 gegründete AMERICAN INDIAN MOVEMENT (AIM) in ihrer Not und Verzweiflung um Hilfe rief. Als sich nicht weit von Wounded Knee über 200 Stammesbewohner und einige AIM – Vertreter trafen, um darüber zu beraten, was gegen diese anhaltende Terrorpolitik unternommen werden könne, waren es gerade engagierte Frauen, die in die Runde fragten „Hey AIM, hey Dennis Banks (einer der anwesenden Mitgründer des AIM), was gedenkt ihr gegen dieses Morden zu unternehmen? Denn wenn ihr nichts unternehmt, dann nehmen wir die Sache in die Hand und besetzen heute Wounded Knee als Symbol für die anhaltende Ausrottungsgeschichte gegen unser Volk“. Der Goon – Terror in Pine Ridge und tägliche willkürliche Polizeiübergriffe auf Indianer in den Städten, die anhaltenden Zwangssterilisierungen indianischer Frauen und die   Vertreibung aus den Reservaten, die Einschränkung der Fischerei- und Jagdrechte und die fortgesetzte kulturelle Unterdrückung hatten Anfang der 70er Jahre das Fass überlaufen lassen. Gegen diese Politik und gesellschaftliche Situation erhob sich auch aus der indianischen Bevölkerung immer mehr verstärkter Widerstand – Red Power Rising.

Nach der Besetzung der Gefängnisinsel Alcatraz 1969 durch indianische Aktivisten und nach der Besetzung des Gebäudes des Bureau of Indian Affairs in Washington DC 1972  war es vor allem die symbolische Besetzung Wounded Knees am 27. Februar 1973 durch Oglala Lakota und AIM – Aktivisten, die die Weltöffentlichkeit und auch die amerikanische Bevölkerung auf die Situation der amerikanischen Ureinwohner gegen Ende des 20. Jahrhunderts aufmerksam machte. Noch in der gleichen Nacht wurde der besetzte Ort durch US – Marshalls, BIA – Polizei, FBI und Scharfschützen der Nationalgarde umstellt. Weiße Bürgerwehren und die GOONS richteten ebenfalls bewaffnete Straßensperren ein.  Innerhalb von Stunden war aus der Besetzung eine militärische Belagerung des Ortes durch den US – Staat sowie rassistische Milizen geworden, die 71 Tage anhalten   und zwei Aktivisten das Leben  kosten sollte. Über 250.000 Schuss wurden auf die in Wounded Knee eingeschlossenen Besetzer abgegeben. Unter dem Kommando des späteren Nato-Oberbefehlshabers Alexander Haig wurden 17 Panzer, 12 Raketenwerfer, F4 Phantombomber, Kampfhubschrauber und jede Menge CS-Gas eingesetzt, um den Widerstand der Besetzer zu brechen. Die Militäroperation kostete mehr als 1 Milliarde US-$: mehr Geld als seit 1870 seitens des US- Staates für die Unterstützung der Menschen in Pine Ridge investiert wurde.

Nach der Beendigung der Besetzung am 8. Mai 1973 wurden zahlreiche Strafverfahren gegen viele der Besetzer und vor allem gegen AIM – Aktivisten wie Dennis Banks und Russel Means eröffnet. Längst war es ausgemachte Tatsache, dass das neu erwachte indianische Selbstbewusstsein, die Forderungen nach Selbstbestimmung und auch Einhaltung der im 19. Jahrhundert zwischen US – Regierung und den souveränen indianischen Nationen abgeschlossenen Verträgen zerschlagen werden und indianische Aktivisten in den Hochsicherheitsknästen der USA verschwinden sollten. In der Pine Ridge Reservation ging der Terror durch die GOONS unvermindert weiter. Längst hatten Geheimdienste den indianischen Widerstand und Protest mit dem Ziel unterwandert, AIM zu zerschlagen und Proteste zu kriminalisieren. Bekanntestes Opfer dieser Zerschlagungspolitik ist der indianische politische Gefangene, Leonard Peltier, der seit dem 6. Februar 1976 inhaftiert ist. Und längst haben auch die Schatten von Armut und Elend, Apathie und Resignation viele der Reservatsbewohner wieder eingeholt. Die Pine Ridge Reservation zählt heute zu den ärmsten Counties in Nordamerika.

Doch eines konnten weder GOONS noch FBI, weder die US – Justiz noch die amerikanische Politik, sie alle konnten nicht mehr die weltweite Aufmerksamkeit betreffend die indianischen Angelegenheiten stoppen. Und sie konnten nicht mehr den Wunsch nach Selbstbewusstsein, Selbstbestimmung, Wiederaneignung der eigenen Kultur und die Forderung nach indigenen Rechten bei einem immer größer werdenden Teil der indigenen Bevölkerung Nordamerikas stoppen. Wenn heute in Kanada unter dem Motto IDLE NO MORE zehntausende First Nations für ihre Rechte aufstehen, wenn in Süd – Mexiko Ende Dezember 2012 aus dem Lakatonischen Urwald an die 50.000 maskierte Zapatisten wortlos in die umliegenden Städte aufbrechen, so sind dies die heutigen Folgebeben der Aktion von Wounded Knee, an der sich viele Frauen und Männer, Junge und Alte, Natives und Non – Natives beteiligt haben. Die Kämpfer vor Ort und ihre Unterstützer aus allen Teilen der USA wie z. B. Anwälte, Ärzte, Reporter, Piloten Vietnam – Veteranen, Indianer aller amerikanischen Stämme, Vertreter der schwarzen Bürgerrechtsbewegung und der Black Panthers, sie alle haben dazu beigetragen, dass das Verbrechen von Wounded Knee 1890 auch im 21. Jahrhundert nicht vergessen wird. Und sie alle haben alle dazu beigetragen, dass die berechtigten Forderungen der Native Americans nicht verhallen. 40 Jahre später zeigt sich in vielen Teilen Amerikas, der indigene Widerstand lebt und Wounded Knee war für viele der Auftakt. Ob es ein drittes Wounded Knee braucht, damit endlich den Ureinwohnern Achtung, Menschenwürde und Recht zukommt, wird die amerikanische Geschichte noch zeigen.           

 

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